Die Hueterin der Krone
seinen Willen in Blut und Feuer niederschreiben, denn wie sonst sollte er sich als würdiger Anführer seiner Männer erweisen, das Wort halten, das er Matilda gegeben hatte, und ihr zur Krone verhelfen?
Die Strohdächer der Außengebäude standen in Flammen; die Männer kämpften inmitten von Rauchschwaden und sprühenden Funken. Brian stapfte zwischen seinen Soldaten herum, feuerte sie an und trieb sich selbst erbarmungslos vorwärts.
»Für die Kaiserin!«, donnerte er und wischte sich frisches Blut aus dem Augenwinkel. »Für die rechtmäßige Königin von England!«
Als sich der Horizont im Osten rötlich verfärbte, überwanden Brian und seine Männer den letzten Widerstand am Außenwerk und rissen die Tore nieder. Dann nahm der Kampf auf dem Turm seinen Fortgang. Hier kamen keine Sturmleitern, sondern Pech und Brandpfeile zum Einsatz. Einige der Ver teidiger versuchten, mit Hilfe von Seilen über die Brustwehr zu entkommen, und wurden von Wallingfords Bogenschützen niedergeschossen. Diejenigen, die den sicheren Boden erreichten, wurden überwältigt und festgenommen. Waren sie wohlhabend genug, wurde später ein Lösegeld für sie verlangt. Ansonsten nahm man ihnen Waffen, Geldbörsen und Kleidung ab und schickte sie in ihren Unterkleidern ihres Weges. Brian ließ die Beute vor den Toren aufstapeln, während der Turm und die Palisade lichterloh brannten. Seine rechte Schläfe pochte, als schlage in seiner Augenhöhle eine kleine Trommel. Mit dem rechten Auge konnte er nur verschwommen sehen.
Als er sich zum Tor wandte, sah er Miles FitzWalter auf sich zukommen. Sein Überwurf und sein Gesicht waren mit Blut und Ruß verschmiert, aber er lächelte strahlend.
»Sieg auf der ganzen Linie!«, rief er. »Stephen wird zu lange damit beschäftigt sein, ziellos umherzuirren, um hier alles wieder aufzubauen, falls er überhaupt je dazu kommt.« Er legte den Kopf schief und betrachtete Brians Wunde. »Das war knapp«, bemerkte er.
Brian betastete die blutverklebte Schramme neben seinem Auge. »Es war einer unserer eigenen Pfeile«, erwiderte er. »Sie haben sie aufgelesen und zurückgeschossen.«
»Das sind immer die gefährlichsten.« Miles stemmte die Hände in die Hüften, drehte sich langsam im Kreis und nickte zufrieden. »Gute Arbeit habt Ihr heute Nacht geleistet. So, Mylord, überrumpelt man seine Gegner.«
36
Gloucester Castle, Frühjahr 1140
Matilda schritt erbost in ihrer Kammer auf und ab.
»Es ist unerträglich!«, fuhr sie den am Kamin stehenden Brian an. »Ich werde das nicht dulden!«
Brian wich ihrem Blick aus. Er hatte sich seit Weihnachten am Hof aufgehalten und unermüdlich an Argumenten gefeilt, die ihr das Recht auf die Königinnenwürde und ihrem Sohn das Erbrecht zuerkannten. Unter der Leitung von Bischof Henry sollten in Winchester Verhandlungen stattfinden. Stephen sollte Matildas Anspruch auf die Krone im Namen ihrer Nachkommen anerkennen und ihr zu ihren Lebzeiten die Herrschaft über die Normandie zugestehen. Ihr Sohn Henry würde nach England gebracht und formell als Thronerbe bestätigt werden. Bedauerlicherweise wurden Stephen und Matilda durch Mittelsmänner vertreten, und Stephen hatte seine Frau zu seiner Vertreterin bestimmt – ein kluger Schachzug, der der Gegenseite einen Strich durch die Rechnung machte.
Matilda wirbelte herum.
»Was ist daran gerecht, dass Stephens Frau für ihn sprechen darf und ich zu schweigen habe?«
»Es ist die Aufgabe einer Königin, als Friedensstifterin zu fungieren«, entgegnete Brian geduldig. »Und Stephen hat sie zu seiner Stellvertreterin ernannt. Wir können nichts dagegen unternehmen.«
»Hah! Wenn meine geliebte Base Maheut die Finger im Spiel hat, ist der Ausgang der ganzen Angelegenheit von vorneherein vorherbestimmt. Sie wird ihre Klauen so fest in den Thron schlagen, dass niemand sie mehr losbekommt.«
Die Luft zwischen ihnen knisterte vor Spannung, die sich erst löste, als Matilda vernehmlich den Atem ausstieß und ärgerlich abwinkte. »Wenn es mir aufgrund dieser heiligen Tradition verwehrt bleibt, persönlich an der Besprechung teilzunehmen, dann erwarte ich von Euch und meinem Bruder, dass Ihr keinen Zoll nachgebt!«
Brian rieb sich über die rosafarbene Narbe, die er sich beim Niederbrennen der Belagerungstürme von Wallingford zugezogen hatte. Miles hatte ihn bei Hof als tapferen Kämpfer gelobt, aber immer wenn das Thema zur Sprache kam, winkte Brian hastig ab und sprach von etwas anderem. »Ihr könnt uns voll und
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