Die Hueterin der Krone
getan«, seufzte er. »Ich habe dem König diesen Zwischenfall auch bislang verschwiegen, aber vielleicht war das ein Fehler.«
Sie hatte ihn geküsst und die Arme um ihn geschlungen. »Du hast getan, was richtig war und wozu dein Gewissen dir geraten hat.«
Er hatte nur die Achseln gezuckt und nichts darauf erwidert. Als ein paar Wochen später Tauwetter einsetzte, schickte Matilda die geliehenen Pferde mit ein paar Dankesworten und einem langen Brief an Adeliza zurück. Sie schrieb, dass sich ihr Sohn Henry in England aufhalte, um hier seine Ausbildung fortzusetzen und mehr über das Königreich zu lernen, das er einst erben werde. Adeliza hatte überlegt, ob sie Will wohl dazu brachte, Henry die Treue zu schwören, aber er war manchmal so störrisch wie ein Esel. Er sagte, Henry sei noch ein Kind, und er habe nicht die Absicht, sich oder seine Familie in Gefahr zu bringen, indem er sich auf dünnes Eis begebe.
»Mama?« Wilkin zupfte an ihrem Ärmel. »Wird er mir helfen? Wird er machen, dass Papa nach Hause kommt?«
Adeliza wurde aus ihren Gedanken gerissen. »Ja«, sagte sie und nickte. »Ja, bestimmt.« Sie legte ihrem Sohn leicht eine Hand auf den Kopf und sandte ein Gebet gen Himmel.
Sechzig Meilen entfernt, am Stadtrand von Wilton, betete Will in der Kapelle des Leprahospitals Saint Giles in Fugglestone. Er hatte dem Vorsteher vier Pfund Silber gestiftet, um zum Unterhalt der Brüder und Schwestern der Einrichtung beizutragen, und ihnen eine Kuh geschenkt, die er aus Arundel mitgebracht hatte. Sie war trächtig und würde im nächsten Frühjahr, wenn sie gekalbt hatte, gute, fette Milch geben. Adeliza würde sich freuen, dachte Will und verdrängte den Gedanken daran, dass sie zweifellos nicht erfreut sein würde, wenn sie erfuhr, dass ihr weniger als eine halbe Meile entferntes Nonnenkloster Wilton von Stephen beschlagnahmt worden war und als Basislager benutzt wurde, von dem aus er Robert of Gloucester in Wareham angriff. Nach seinem Erfolg in Oxford sprühte Stephen vor Optimismus und war entschlossen, den Hafen zurückzuerobern und so die Angeviner von ihren Nachschublieferungen aus der Normandie abzuschneiden.
Ganz im Gegenteil, dachte Will. Seine Frau würde vor Wut kochen. Deshalb hatte er ihr nicht geschrieben, wo er sich aufhielt, obwohl sie es natürlich auch so herausfand und er sich zu Hause auf heftige Vorwürfe gefasst machen musste.
Er hatte versucht, Stephen von der Besetzung der Abtei abzubringen, aber der König hatte sich nicht umstimmen lassen. Er versprach, die Nonnen zu gegebener Zeit zu entschädigen, aber auf die Gebäude könne er nicht verzichten. Widerspruch war zwecklos gewesen, weil der Bischof von Winchester keine Einwände erhoben hatte, und da er als päpstlicher Legat über die oberste Entscheidungsgewalt verfügte, hatte Will von vorneherein auf verlorenem Posten gestanden.
Will hatte seine Truppen bei Fugglestone lagern lassen, weit genug von dem Hospital entfernt, um die Ängste der Männer zu zerstreuen, aber nicht auf dem Klostergelände. Es war ein fauler Kompromiss, der aber zumindest sein schlechtes Gewissen etwas beschwichtigt hatte, genau wie die vier Pfund Silber und die Kuh. Er fürchtete sich im Gegensatz zu vielen anderen nicht vor den Aussätzigen, und er beschimpfte und verunglimpfte sie auch nicht, weil alle Menschen Sünder waren und Christus lehrte, dass man Mitleid mit den vom Schicksal Geschlagenen haben sollte. Adeliza hatte den Armen und Kranken schon oft ihr Los zu erleichtern versucht, und wegen dieser Nächstenliebe und Hingabe liebte er sie umso mehr. Also sprach auch er mit den Kranken, lauschte ihren Geschichten und dankte mit Opfergaben, dass er bei guter Gesundheit war.
Als er in das Lager zurückkehrte, erwartete ihn dort der Befehl Stephens, an einer Ratsversammlung in der Abtei teilzunehmen. Er wurde ihm von Serlo überbracht, einem Sekretär von Adeliza, der Will auf dem Feldzug als Schreiber begleitete. Serlo hatte zusammen mit Stephens Sekretären einige Routinegeschäfte abgewickelt und seine Geburtsstadt besichtigt.
»Alles hat sich verändert«, stellte er trübsinnig fest. »Das Haus, in dem ich geboren wurde, steht nicht mehr. Sie haben es abgerissen und an seiner Stelle eines aus Stein und Dachziegeln gebaut. Unseres bestand aus Holz und einem Strohdach!«
»Ist das nicht im Grunde genommen eine Verbesserung?« Will schickte einen Stallburschen los, um Forcilez zu holen.
Serlo verzog das Gesicht. »Eigentlich schon, aber
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