Die Hueterin der Krone
Vorzeichen war, weil dieses Land eines Tages ihm gehören würde. Das Meer, das gegen die Planken des Schiffs schwappte, war so schmutziggrau wie der Himmel, und der schneidende Wind ließ sein Gesicht allmählich taub werden. Aber das konnte seiner freudigen Erregung nichts anhaben, die er angesichts dessen empfand, was er am Horizont sah, und auch das Geplänkel der Soldaten hinter ihm versetzte ihn in Hochstimmung. Er war mit einer kleinen Söldnertruppe auf dem Weg nach England. Zwar besaß er außer ein paar Münzen, die er zusammengekratzt hatte, und seinen Juwelen kein Geld, um sie zu bezahlen, aber er hatte ihnen einen Anteil an der reichen Beute in Aussicht gestellt, die sie bald machen würden. In einer Woche wurde er vierzehn, aber er wusste, dass er ein Mann war. Für ihn war seine Knabenzeit stets eine Tortur gewesen, weil er sich nie als Kind betrachtet hatte und es hasste, wenn andere es taten.
Henry hatte dieses Unternehmen ohne das Wissen oder die Zustimmung seiner Eltern in die Wege geleitet, denn er gedachte ihnen zu beweisen, dass er ein Kämpfer war, der seinen Mann stand. Außerdem wurde er in England gebraucht. König Stephen hatte dort momentan die Oberhand, das musste sich ändern. Die Barone mussten begreifen, dass er ein fähiger Anführer und Englands rechtmäßiger König war, schon allein deswegen, weil Stephen versuchte, seinen eigenen Sohn Eustace zum Thronerben zu ernennen. Bislang verweigerten Rom und der Erzbischof von Canterbury ihre Zustimmung, aber Henry musste allen klarmachen, dass allein er als Thronerbe in Frage kam. Einerseits unternahm er diese Reise, um einen bewaffneten Konflikt anzuzetteln, andererseits wollte er diplomatische Wege beschreiten, denn ein König musste nicht nur kämpfen, sondern auch verhandeln.
Möwen kreisten über dem Schiff und kündigten kreischend an, dass es nicht mehr weit bis zum Land war, und in zwei Fischerbooten an der Steuerbordseite warfen Männer ihre Netze aus. Schon bald verbreitete sich die Nachricht von seiner Ankunft wie ein Lauffeuer. Henry lächelte leise und biss sich in die Oberlippe, wo ein weicher kupferfarbener Flaum zu sprießen begann. Er hatte vor, Gerüchte in Umlauf zu bringen und mitzuverfolgen, wie sie mehr und mehr ausgeschmückt wurden. So konnten aus fünfzig Männern leicht fünfhundert oder gar fünftausend werden.
Will kniete in der Kapelle von Arundel und betete für die Gesundheit von Adeliza und ihrem ungeborenen Kind. Die Hebammen waren die ganze Nacht lang bis zum stürmischen, verregneten Morgen bei ihr geblieben. Die Schwangerschaft hatte ihr schwer zu schaffen gemacht, und abgesehen von dem vorgewölbten Bauch und den geschwollenen Brüsten bestand sie nur noch aus Haut und Knochen und hatte tiefe Ringe unter den Augen. Er presste die gefalteten Hände gegen seine Stirn und schwor Gott, dass er sich ihrem Bett nicht mehr näherte, wenn sie diese Geburt überlebte; selbst wenn sie ihn mit allen Mitteln lockte und er sie noch so sehr begehrte, denn ihre Sicherheit und ihr Wohlergehen wogen weit schwerer als die wenigen Momente körperlicher Wonne und ihr ungebrochener Drang, ihre Fruchtbarkeit unter Beweis zu stellen.
Als er sich endlich von den Knien erhob, waren seine Gliedmaßen steif und schmerzten so sehr, dass er sich kaum bewegen konnte. Er schritt langsam in der Kapelle umher, bis das Gefühl in seine Beine zurückkehrte, und ging zur Tür. Draußen spielten seine Kinder Fangen, ihre Stimmen klangen hell und fröhlich. Wilkin, dessen hellbraune Locken vor kurzem gestutzt worden waren, duckte sich und wirbelte herum, als Adelis, die Röcke gerafft wie eine Bäuerin, hinter ihm herschoss. Sie war so schnell und geschmeidig wie ein Junge und hatte feine, lebhafte Züge. Godfrey stolperte auf seinen kurzen Beinen entschlossen hinterher, wie auch der dreijährige Reiner, der fröhlich schreiend vergeblich versuchte, Schritt zu halten. Ihre jüngste Schwester Agatha, zweiundzwanzig Monate alt und während ihres Aufenthalts in Rising gezeugt, schlief unter den wachsamen Augen ihrer Kinderfrau auf einem Kissen. Will schluckte. Jedes seiner Kinder war ein kostbares Geschenk. Er dankte Gott für ihr Leben und ihre Gesundheit, denn er wusste, wie vergänglich beides war. Viele Familien verloren Kinder oder die Mutter im Kindbett. Bei ihm und Adeliza war fünf Mal alles gut gegangen, und er fürchtete, dass Gottes Gnade allmählich versiegte.
Hinter seinen spielenden Sprösslingen entdeckte er Juliana, die
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