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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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Wills Absicht gelegen. Er wollte, dass Rising ein Zeichen setzte und inmitten des Kriegschaos einen friedlichen Hafen bildete.
    Der sechs Monate alte Reiner brach in seiner Reisewiege aus Korbgeflecht in ein an eine kleine Möwe erinnerndes Klagegeschrei aus. Die Kinderfrau nahm ihn hoch, doch Will winkte ab. »Gib ihn mir.«
    »Aber seine Windel ist nass, Herr.«
    »Das macht nichts. Gib ihn mir und hol eine frische.«
    Ohne auf das von Feuchtigkeit schwere Windeltuch zu achten, nahm Will sein jüngstes Kind auf den Arm und drehte sich mit ihm zu der Küste und den weiß getünchten Mauern von Rising um. Er wollte, dass alle seine Kinder die Burg sahen, auch wenn sie die Bedeutung nicht verstanden. Obwohl das Gebäude von Gerüsten verdeckt wurde und an manchen Stellen noch nicht fertig gestrichen war, sah es beindruckend aus, vor allem vor der Kulisse des blauen Himmels und Meeres und des saftigen Grüns, auf dem Schafe grasten.
    Als das Schiff den Flusskanal entlangglitt, übergab Will Reiner wieder der Kinderfrau und gesellte sich zu Adeliza. Sie hatte nach der Geburt ihres Sohnes mehrere Monate lang gekränkelt und fühlte sich immer noch nicht wohl. Er wollte, dass die rosige Farbe in ihre Wangen zurückkehrte, und sie auf andere Gedanken bringen, damit sie nicht ständig über den noch immer andauernden Konflikt grübelte. Deswegen hatte er sich auch entschlossen, mit dem Schiff zu reisen statt zu Pferde. Damit war die Gefahr geringer, auf Feinde zu stoßen, und im August herrschte schönes, klares Wetter. Die Reise strengte seine Frau weniger an, und vom Seeweg her hatte man den schönsten Blick auf die Burg.
    Zuvor war es in East Anglia zu Kämpfen gekommen, als Stephen den rebellischen Hugh Bigod unterworfen hatte, und in Lincoln hatte er sich mit Ranulf of Chester ein Gefecht geliefert, doch im Moment herrschte in dem Gebiet relative Ruhe.
    »Du wirst sehen, dass sich vieles verändert hat, seit wir zuletzt hier waren.« Er legte Adeliza einen Arm um die Schultern. »Damals hatten die Träume und Pläne keine wirkliche Substanz.«
    »Gilt das nicht auch für das Leben vieler Menschen?«, fragte sie ihn lächelnd.
    Seine Augen funkelten. »O doch. Aber nicht jeder hat das Glück, miterleben zu dürfen, wie diese Träume und Pläne Wirklichkeit werden.«
    Warme Zuneigung durchflutete Adeliza, als sie sich gegen Wills tröstlich kräftigen Körper lehnte. Er liebte es zu planen und Bauwerke zu erschaffen. Sie fand ihn oft an einem mit Zeichnungen und Skizzen übersäten Tisch vor. Er lud erfahrene Steinmetze an seine Tafel und tauschte Ideen mit ihnen aus, oder er saß mit Wilkin auf dem Boden und baute Miniaturgebäude aus Holzstücken und Steinen. Dann gingen seine großen Hände geschickt und behutsam zu Werke – genauso wie sie ihren Körper erforschten. Seine kindliche Begeisterungsfähigkeit weckte immer Zärtlichkeit in ihr. Die Rolle des schöne Bauwerke erschaffenden Baumeisters lag ihm mehr als die des Tod und Zerstörung bringenden Kriegers. Sie wusste, dass dieser Besuch nur eine kurze Ruhepause darstellte; dass Will wieder in den Krieg ziehen würde, sobald die Ernte in den Scheunen war und er sein Land besichtigt hatte, aber wenigstens für diese Zeit hatte sie ihn und die Kinder für sich alleine, und vielleicht kehrte dann auch die Kraft zurück, die sie die letzte Geburt gekostet hatte. Heute fühlte sie sich seit langem das erste Mal besser, die prickelnde Seeluft wirkte geradezu verjüngend auf sie.
    Während sie flussaufwärts auf die Burg zuglitten, kamen sie an einem weiß getünchten Taubenschlag vorbei, auf dessen Dach das Albini-Löwenbanner flatterte. Eine Schar Tauben stob von den Dachziegeln auf; das Brustgefieder der Tiere schimmerte im Sonnenlicht. Godfrey zeigte quiekend mit dem Finger auf sie. Adeliza küsste seine weiche Wange. Der Salzgeruch des Flusses stieg ihr in die Nase und vermischte sich mit dem Geruch nach frischem Gras. Grasende Schafe hoben die Köpfe, als das Schiff vorbeisegelte, und die Hunde der Schäfer rannten bellend am Ufer entlang, was Teri seinerseits mit ohrenbetäubendem Gebell beantwortete, bis Will ihn mit einem scharfen Befehl und einem Fingerschnippen zum Schweigen brachte.
    Das Schiff legte an einem Landesteg an, der zu einem klei nen, von einem Graben umgebenen Gebäude führte. Dort warteten Stallknechte mit Pferden und einem zweirädrigen, mit Kissen ausgelegten Karren für die Kinderfrauen und ihre Schützlinge. Will und Adeliza bekamen zwei

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