Die Hueterin der Krone
zur Frau zu nehmen und die Aussicht, der Vater des nächsten Königs von England, Herzogs der Normandie und Grafen von Anjou zu werden.«
Geoffrey starrte ihn an. Die Worte trieben einen Moment lang auf der Oberfläche seines Bewusstseins, bevor sie wie scharfe Splitter darin einsickerten.
»Deswegen habe ich dich gefragt, ob du ein Mann bist, denn es bedarf eines richtigen Mannes, um diese Situation zu meistern.«
Geoffreys Magen begann sich so heftig zusammenzukramp fen, dass er fürchtete, sich gleich übergeben zu müssen. Er trank einen weiteren Schluck; zwang sich zu schlucken, statt zu würgen, wandte sich von seinem Vater ab und ging zu Pertelot, die auf ihrer Stange saß. Sanft streichelte er die Federn des Vogels, die so weich waren wie die Brüste der Melkerinnen aus dem Dorf. »Sie ist alt.« Sein Adamsapfel hüpfte. »Und sie war die Frau eines alten Mannes.« Seine Nasenflügel blähten sich, es kam ihm so vor, als würde er den säuerlichen, modrigen Geruch eines älteren Menschen einatmen. Den Geruch nach Gruft und Grab.
»Ihr Mann war jünger als ich, als er starb«, knurrte sein Vater. »Willst du behaupten, ich sei alt?«
Geoffrey blickte sich um. Das Blut stieg ihm in die Wangen. »Nein, Vater.«
»Wenn du ein erwachsener Mann bist, ist sie immer noch eine junge Frau.«
»Aber sie ist gebrauchte Ware!« Geoffrey war übel vor Enttäuschung, und der modrige Geruch hing ihm noch immer in der Nase. »Sie ist keine Jungfrau mehr.«
»Umso besser. Dann weiß sie, was sie zu erwarten hat. Henry von England möchte durch dieses Bündnis mit uns seine Grenzen sichern, aber er wünscht sich auch einen kräftigen jungen Bullen im Bett seiner Tochter. Wenn sie älter ist als du, ist die Zeit auf deiner Seite, und außerdem gibt es immer willige andere Frauen. Sie hat dem Kaiser ein Kind geboren, also ist sie fruchtbar, obwohl der Junge starb. Der Samen ihres Mannes war nicht stark genug, aber ich vertraue auf den deinen, und wie es aussieht, tut der König von England das auch.«
Geoffrey erwiderte nichts darauf, weil die Enttäuschung immer noch an ihm nagte. Auch wenn es sein Ansehen hob, eine Frau von so hohem Rang zu heiraten, stießen ihn ihr Alter und der Umstand ab, dass sie keine Jungfrau und kein schüchternes junges Mädchen mehr war. Stirnrunzelnd ging er zum Fenster und lehnte sich gegen die Laibung. Er wurde zwar im August erst vierzehn, hatte aber letztes Jahr zur Erntezeit in einer Scheune, während der Vollmond golden am Himmel stand, seine erste Erfahrung mit einer Frau gemacht und sich seither nichts entgehen lassen; hatte wundervolle körperliche Wonnen kennen gelernt und betrachtete sich bereits als guten, erfahrenen Liebhaber. Sein Vater wusste noch nicht einmal die Hälfte von alldem. Geoffrey schürzte die Lippen und überlegte angestrengt. Wenn er die Frau oft genug nahm und sie in regelmäßigen Abständen schwängerte, würde sie vielleicht früher oder später sterben, und er könnte eine andere Frau heiraten, die eher seinem Geschmack entsprach. Und wer sollte ihn davon abhalten, sich Mätressen zu nehmen?
»Werde ich dann König, so wie du?«, fragte er.
»Nicht solange Henry auf dem Thron sitzt, denn er weigert sich, diese Möglichkeit in Betracht zu ziehen, aber er wird nicht ewig leben. Es ist absurd, dass eine Frau die Herrschaft übernehmen soll. Wenn deine Söhne noch minderjährig sind, wenn Henry zu Grabe getragen wird … wer weiß?« Fulke hob warnend einen Zeigefinger. »Ich hoffe, ich habe dich gelehrt, worauf es in der Politik ankommt. Lass dich nie von deinem Herzen oder deinen Lenden beherrschen, sondern ausschließlich von deinem Verstand. Es mag sein, dass du nie König wirst, aber deine Kinder werden von königlichem Geblüt sein, und dir wird die Normandie zufallen. Denk an deine Familie. Du wirst dir einen Platz im Haus von England und der Normandie sichern können. Ich werde auf dem Thron von Jerusalem sitzen, und die Kinder, die aus meiner Ehe hervorgehen, sind dann deine Halbbrüder und Halbschwestern. Anjou wird zu großer Macht gelangen.«
Geoffrey lief ein Schauer über den Rücken. Zwar sträubte er sich gegen die Heirat, aber die Aussicht auf Macht berauschte ihn, als würde er Sonnenstrahlen trinken. Er stellte sich vor, wie es sein würde, wenn eine Kaiserin seinem leisesten Wink gehorchen musste. Wenn sein Kind in ihr heranwuchs.
»Also frage ich dich noch ein Mal«, schloss sein Vater. »Bist du geistig und körperlich Manns genug, um
Weitere Kostenlose Bücher