Die Hueterin der Krone
Zorn erfüllt, dass sie meinte, ihr Innerstes müsse bersten. Sie sollte einen Jungen heiraten, der halb so alt war wie sie! Jeder, der nur über einen Funken Verstand verfügte, musste die Vorstellung als lächerlich abtun. Ihr Vater hatte gesagt, seine engsten Berater hätten der Verbindung zugestimmt, und das schloss mit Sicherheit ihren Bruder Robert und Brian FitzCount mit ein. Sie war verraten worden. Sie hatte eine höhere Meinung von den beiden gehabt, aber ganz offensichtlich betrachteten sie sie auch nur als eine Frau, die auf den ihr zustehenden Platz verwiesen werden musste. Eine Zuchtstute, die die nächste Generation hervorbringen sollte! Und dann dieses … dieses halbe Kind! Die Aussicht auf Macht und Ansehen, das ihm eine solche Heirat verschaffen würde, musste ihm gewaltig zu Kopf gestiegen sein.
Ihre Gedanken wandten sich erneut Heinrich zu, während sie in die flackernden Kerzenflammen auf dem Altar starrte. Wenn er doch nur noch am Leben wäre! Dann würde sie geachtet und beschützt werden. Heinrich hätte sie nie so behandelt. Aber sie hatte niemanden mehr auf der Welt. Sie würde sich selbst schützen müssen, aber wie? Es gab keinen Ort, wohin sie sich wenden konnte. Ihr blieb nur Gott, und er schien sich gleichfalls von ihr abgewandt zu haben. Hätte er sich gnädig gezeigt und ihren kleinen Sohn am Leben gelassen, hätte sie jetzt ein Ziel und einen Platz im Leben. Sie wäre die Macht hinter dem Thron ihres verstorbenen Mannes und keine windgebeutelte bloße Schachfigur.
Nachdem sie in die Burg zurückgekehrt war, zog sie sich in ihre Kammer zurück, wies ihre Zofen an, ihr Bett herzurichten, und teilte ihnen mit, sie wolle nicht zum Essen in die Halle hinuntergehen, sondern lieber schlafen.
»Geht es Euch nicht gut, Madam?«, erkundigte sich Uli.
»Nein!«, fauchte Matilda. »Ich fühle mich sterbenselend. Und jetzt lasst mich allein. Wenn ich euch brauche, werde ich euch rufen.«
»Madam …«
»Geht!«, herrschte Matilda sie an. Sie lauschte auf das Klicken, mit dem der Türriegel vorgeschoben wurde, dann kroch sie ins Bett und drehte sich mit dem Rücken zur Wand.
Adelizas leise Stimme, mit der sie auf ihre Zofen einsprach, und würziger Essensduft weckten sie. Einen Moment später teilte sich der Bettvorhang, und Adeliza trat mit einem Tablett an das Bett. Sie brachte Matilda eine Schale dampfende Brühe, ein kleines knuspriges Brot und mit Safran glasiertes Huhn. Die Zofen eilten geschäftig hin und her, entzündeten Kerzen und schlossen die Fensterläden. Es dämmerte bereits, und der frühlingshafte Himmel schimmerte lavendelfarben. Als Matilda sich aufsetzte, stellte Adeliza das Tablett auf der Truhe ab. Sie hatte auch eine zusammengefaltete Serviette und eine kleine Fingerschale mit duftendem Wasser mitgebracht.
»Es tut mir leid, dass es dir nicht gut geht«, sagte sie mit sanfter Stimme.
»Hat mein Vater dich geschickt?«, zischte Matilda.
Adeliza sah sie vorwurfsvoll an.
»Natürlich nicht. Als ich ihm sagte, ich würde dich besuchen und dir etwas zu essen bringen, regte er sich furchtbar auf.« Die beiden Frauen wechselte einen viel sagenden Blick. »Er meinte, du hättest kein Essen verdient, und ein knurrender Magen würde dich schon dazu bewegen, deine Meinung zu ändern, aber er gab nach, als ich mich nicht umstimmen ließ.«
Matilda starrte das hübsch hergerichtete Tablett finster an. »Lieber würde ich verhungern!«, fauchte sie. »Außerdem mag ich nichts essen.«
»Das glaube ich nicht«, widersprach Adeliza. »Du hast immer einen gesunden Appetit gehabt, und du wirst deine Kraft brauchen.«
Matildas Miene hellte sich immer noch nicht auf. Es widerstand ihr, etwas zu sich zu nehmen, aber auf diese Weise konnte sie ihrem Vater trotzen.
»Du hast Recht.« Sie griff nach dem Brot.
Adeliza schenkte ihnen beiden Wein ein und ließ sich auf der Bettkante nieder.
»Frag dich doch einmal, ob du dir selbst einen Gefallen tust. Wo willst du denn hingehen, wenn du dich deinem Vater widersetzt?«
Matilda brach das Brot in kleine Stücke.
»Du bist also mit ihm einer Meinung?« Sie maß Adeliza mit einem verbitterten Blick. »Du ergreifst für ihn Partei – wie alle anderen!«
Adeliza schüttelte den Kopf.
»Ich mache mir um euch beide Sorgen. Ich weiß auch, wie schwer das alles für dich ist. Du hast einen guten Mann und deine zentrale Stellung am kaiserlichen Hof verloren. Aber du musst dich auf die Zukunft konzentrieren und langfristig denken. Hier,
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