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Die Hueterin der Krone

Die Hueterin der Krone

Titel: Die Hueterin der Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Chadwick
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nachvollziehen.«
    »Aber Ihr vermögt mir nicht in die Augen zu sehen, Mylord.«
    »Was soll ich denn tun?« Jetzt sah er ihr ins Gesicht und zwang sich, ihrem prüfenden Blick standzuhalten. »Ich bin zuallererst Eures Vaters Lehnsmann, so sehr ich seine Tochter auch ehre.«
    »Ehre.« Sie schnaubte leise. »Ich wundere mich immer darüber, auf welche Weise wir dieses Wort glorifizieren.«
    »Wenn die Zeit kommt, werde ich Euch nicht im Stich lassen, das schwöre ich Euch bei meinem Leben.«
    »Und wer wird diese Zeit bestimmen, Mylord – Ihr oder ich? Und wer wird entscheiden, ob Ihr versagt habt oder nicht?«
    Sie ritten schweigend weiter. Brian hielt Abstand zu ihr, weil er wusste, dass er an der Wahrheit in ihren Augen zerbrechen würde, und das durfte er nicht zulassen. Sie hatte Recht. Ehre war sowohl eine verklärte Fantasie als auch ein stinkender Leichnam, und sie war nicht diejenige, die sie im Namen politischer Strategie zunichtegemacht hatte.

9
    Rouen, Sommer 1127
    Matilda knickste vor ihrem zukünftigen Mann, während sich jede Faser ihres Körpers vor Widerwillen verkrampfte und ihr Abscheu mit dem Pflichtgefühl gegenüber ihrem Vater, der Normandie und England rang.
    Geoffrey of Anjou war ein auffallend hübscher Jüngling mit glatter alabasterfarbener Haut, Haaren, die in einem warmen Aprikosengold schimmerten, und klaren meerblauen Augen. Er hatte einen ausgeprägten Adamsapfel und den Stimmbruch kaum überwunden. Herablassend kräuselte er die Oberlippe, und Matilda empfand vom ersten Moment an eine tiefe Abneigung gegen ihn. Obwohl er sich ehrerbietig vor ihr verbeugte, sah sie ihm an, dass es der Geste an Aufrichtigkeit fehlte. Diese Verlobung war eine Travestie. Wie sollte sie es über sich bringen, das Ehebett mit ihm zu teilen? Als er ihr einen großen Saphirring an den Finger steckte, sah sie ihren Vater zufrieden lächeln und fühlte sich entsetzlich elend. Die neben ihm stehende Adeliza lächelte ebenfalls und freute sich sichtlich darüber, dass Matildas Widerstand gebrochen war und sie sich den Wünschen ihres Vaters fügte.
    Die Hochzeit sollte erst stattfinden, wenn der Grafentitel auf Geoffrey übergegangen war. Heute erfolgte nur das Gelübde gegenseitigen Einverständnisses, das sie förmlich niederdrückte, während die Gitterstäbe ihres Käfigs um sie herum errichtet wurden.
    Geoffrey geleitete sie zu dem Fest, das in der großen Halle des Palastes von Rouen ausgerichtet wurde. Er bot ihr den Arm, damit sie die Hand auf seinen Ärmel legen konnte, und vollführte unter den wachsamen Augen seines und ihres Vaters die formellen Höflichkeitsgesten. Sein großspuriger, stolzierender Gang und die Selbstgefälligkeit in seinen Zügen lösten in ihr den Wunsch aus, ihn wie einen respektlosen Pagen zu ohrfeigen. Ihr fiel nichts ein, was sie zu ihm hätte sagen können, denn sie hatten nichts gemeinsam. Weder kannte sie seine Vorlieben und Abneigungen, noch interessierte sie sich dafür, denn wie immer sie auch aussehen mochten, sie würden nicht den ihren entsprechen. Die Art, wie er sich in die Brust warf und seinen Kumpanen herausfordernd zulächelte, erinnerte sie an einen jungen Hahn, der noch kein vollständiges Federkleid trug, aber trotzdem den Misthaufen beherrschen wollte. Sollte sie sich etwa davon beeindruckt zeigen?
    Beim Festmahl musste sie sich eine Platte mit ihm teilen. Er fragte sie nicht, was sie essen wollte, sondern führte prahlerisch vor, wie geschickt er sich von den Speisen zu bedienen wusste. Während er Fleisch von einer Keule schnitt, schwang er eitel seinen juwelenbesetzten Ärmel hin und her. Er zerlegte eine Taube so behutsam, dass es überaus intim, fast erotisch wirkte. Sein überhebliches Lächeln verursachte Matilda Übelkeit. Dieser hochnäsige, eingebildete Geck sollte ihr Ehemann und der Vater ihrer Kinder werden? Fast krank vor Verzweiflung starrte sie blind auf die Wand.
    Als Geoffrey zwischen den Gängen mit einem Kameraden verschwand, um seine Blase zu entleeren, nutzte Adeliza die Gelegenheit, um Matilda verstohlen die Hand zu drücken.
    »So schlimm ist es doch gar nicht«, flüsterte sie mit einem ermutigenden Lächeln. »Er sieht wirklich gut aus und wirkt älter, als er ist, findest du nicht?«
    Matilda spürte, wie sehr Adeliza sie innerlich drängte, das Lächeln zu erwidern, ihr zuzustimmen und ihr zu versichern, dass sich alles gut gefügt hatte. Aber wie konnte dies zutreffen, wo sie doch eine ganz andere Welt gekannt hatte, in der

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