Die Hueterin der Krone
trink das, dann fühlst du dich besser.«
Matilda stieß den Becher so heftig von sich, dass der Wein über den Rand schwappte.
»Meinst du, ich finde Trost im Wein?« Sie lachte höhnisch auf. »Trinken, bis ich alles um mich herum vergesse?«
Adeliza wischte die verschüttete Flüssigkeit mit der Serviette auf und betrachtete bekümmert die roten Flecken.
»Die Kirche und später deine Kinder werden dir Trost spenden.«
»Gott mag mir Kraft geben, aber keinen Trost, und bei den Kirchenmännern finde ich ihn erst recht nicht«, giftete Matilda und registrierte teils triumphierend, teils schuldbewusst, wie ihre junge Stiefmutter zusammenzuckte. »Und was Kinder betrifft – dieser Trost wurde weder mir in meiner Ehe mit Heinrich noch dir mit meinem Vater zuteil. Warum sollte ich darauf vertrauen, einmal Mutter zu werden?« Ihre Stimme zitterte und brach fast. »Ich habe Heinrich einen Sohn geboren und ihn am selben Tag begraben.«
»Das tut mir leid.« Adelizas Augen bekamen einen kummervollen Ausdruck. Mitfühlend streckte sie eine Hand aus, doch Matilda wich zurück. Adeliza ließ den Arm sinken und strich stattdessen die Bettdecke glatt, bis keine Falte mehr zu sehen war. Dann fuhr sie zögernd fort: »Vielleicht hat ein Mann nur eine bestimmte Menge an fruchtbarem Samen in seinem Körper. Ein jüngerer …« Ihre Wangen röteten sich. »Ich will nichts Herabsetzendes über deinen Mann oder deinen Vater sagen, aber ich sage dir von Frau zu Frau, dass diesmal vielleicht schneller Leben in deinem Schoß heranwächst.«
Matilda sah sie lange an.
»Würdest du mit mir tauschen wollen?«
Jetzt breitete sich die Röte über Adelizas gesamtem Gesicht aus.
»Ich würde über meine Pflicht denen gegenüber nachdenken, die wünschen, dass ich diese Verbindung eingehe. Ich würde an das Gute denken, das daraus erwachsen kann. Dass ich Kinder bekommen und einen jungen Mann lieben könnte, wenn er älter und reifer geworden ist. Der Altersunterschied zwischen uns würde bald nicht mehr ins Gewicht fallen.« Sie presste die Lippen zusammen. »Man muss lernen, mit dem zu leben, was man nicht ändern kann, und Gott für das zu danken, was man hat. Was für Alternativen bleiben dir denn? Dein Vater wird von einer einmal getroffenen Entscheidung nicht abweichen. Wenn du dich weigerst, wird er einen seiner Blois-Neffen zu seinem Erben ernennen und dich in ein Kloster verbannen. Du hast Deutschland lieber verlassen als eine Nonne zu werden. Würdest du jetzt das Klosterleben einer Ehe vorziehen?«
Wütend auf sich selbst zwinkerte Matilda die aufsteigenden Tränen weg.
»Ein Mal nur …«, antwortete sie heiser. »Ein Mal nur möchte ich erleben, dass er mich sieht, und zwar als Mensch und nicht als Werkzeug.«
»Ah, so darfst du nicht denken!« Adeliza wirkte sichtlich schockiert. »Er ist stolz auf dich – sehr stolz, und deswegen ist er auch so unnachgiebig. Er weiß, was du zu leisten vermagst, und er will nur das Beste für dich.«
»Das Beste.« Matilda lachte höhnisch auf. »Geoffrey of Anjou ist das Beste? Dann bewahre mich Gott vor dem Schlimmsten!«
»Hör zu«, fuhr Adeliza geduldig fort. »Ich weiß, dass diese Verlobung ein Schock für dich war, aber alles wird gut werden, du wirst schon sehen.« Sie beugte sich vor und küsste Matilda auf die Wange. »Ich lasse dich jetzt allein, damit du darüber nachdenken kannst.«
»Du meinst, mein Vater wird sich fragen, wo du so lange bleibst?«
»Der König ist heute Abend mit anderen Dingen beschäftigt.« Adelizas Stimme klang verhalten, und ihr Körper spannte sich an, woraus Matilda schloss, dass ihr Vater eine der zahlreichen Hofkonkubinen aufgesucht haben musste – vermutlich ritt er sie so wild und zügellos wie sein Jagdpferd, wenn er übler Laune war. »Mehr kann ich dir nicht sagen. Jetzt musst du selbst deine Entscheidung treffen.«
Nachdem Adeliza gegangen war, widerstand Matilda dem Drang, die Bettvorhänge wieder zu schließen und sich in ihr Schneckenhaus zurückzuziehen. Adelizas Auftritt hatte sie daran erinnert, dass sie eine Position in dieser Welt innehatte, derer sie sich als würdig erweisen musste, und dass sie Verantwortung trug. Während sie ihr Essen verzehrte, grübelte sie über ihre Lage nach. Sie war in die Enge getrieben worden, und ihr blieb nur ein Ausweg – sich den Wünschen ihres Vaters zu fügen und in die Heirat einzuwilligen. Er sagte, dass es eine ehrenhafte Angelegenheit sei, und oberflächlich betrachtet mochte das
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