Die Hueterin der Krone
hatte sich einiges verändert. Jetzt kämpfte sie für ihren Sohn, und ein Teil von ihr, der sich lange Zeit wie tot angefühlt hatte, war mit neuem Leben erfüllt. Ein warmes und zufriedenes Gefühl überwältigte sie. »Du hast deine Sache gut gemacht, mein Kleiner«, flüsterte sie ihm zu. »Henry.« Obwohl Geoffrey so getan hatte, als sei die Namenswahl sein alleiniges Vorrecht, hätte ihr Sohn gar nicht anders heißen können, also würde sie keine Einwände erheben. »Eines Tages wirst du ein großer König werden«, murmelte sie. »Ein noch größerer als dein Großvater.«
17
Rouen, Weihnachten 1133
Adeliza kniete auf dem Schaffellläufer und ließ einen Ball aus bunten Filzstreifen auf das vor ihr sitzende entzückende rothaarige Baby zukullern. Es lachte sie an, wobei im Ober- und Unterkiefer jeweils vier Zähnchen zum Vorschein kamen, und seine Augen funkelten. Bedachtsam beugte es sich vor, griff nach dem Ball und warf ihn zu ihr zurück. Sie lachte und lobte es. Obwohl sie Freude empfand, mischte sich in dieses Gefühl eine unterschwellige Trauer und der Eindruck, versagt zu haben. Durch ihre Ehe war sie seine Großmutter, wo er doch ihr eigener Sohn hätte sein können, wenn Gott ihr diese Gnade erwiesen hätte. Sie freute sich für Matilda und für Henry, der seinen Enkel anbetete, aber sie sehnte sich danach, dass sie selbst spürte, wie Babyfüße gegen ihre Bauchdecke traten. Henrys momentane Mätresse Isabelle de Beaumont hatte ihm vor einem Monat eine Tochter geboren, und Adeliza versuchte, nicht darüber nachzudenken.
Als sie von dem mit Vorhängen abgeteilten Bett hinter ihr ein Geräusch vernahm, drehte sie sich um. Matilda schob die Stoffbahnen zur Seite. Obwohl sie einige Stunden geschlafen hatte, lagen noch immer dunkle Ringe unter den Augen ihrer Stieftochter, und sie wirkte erschöpft. Sie hatte zum Schlafen ihren Kopfputz abgenommen, ihr langes dunkles Haar mit den zwei locker geflochtenen Zöpfen ging ihr bis zur Taille. Adeliza schickte eine Zofe los, um heißen Gerstenschleim zu holen.
»Du siehst noch immer elend aus«, stellte sie besorgt fest.
Matilda war von Le Mans angereist, um das Weihnachtsfest mit ihrem Vater und seinem Hof in Rouen zu verbringen, und hatte den kleinen Henry mitgebracht. Geoffrey war in Anjou geblieben und kümmerte sich um seine eigenen Angelegenheiten. Adeliza vermutete, dass die Trennung für beide eine Erleichterung darstellte. Nachdem sie an diesem Morgen eingetroffen war, hatte Matilda über Müdigkeit nach der langen Reise geklagt und sich hingelegt, was ihr gar nicht ähnlich sah.
Der Kleine streckte die Arme nach seiner Mutter aus und versuchte quiekend ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Sie nahm ihn hoch und küsste seine flaumigen kupferfarbenen Locken.
»Ich bin wieder schwanger«, verkündete sie.
Nachdem sie es laut ausgesprochen hatte, fiel Adeliza auch ihr leicht gerundeter Bauch auf. Sie unterdrückte ein Übelkeit erregendes Neidgefühl.
»Ich freue mich ja so für dich.« Sie rang sich ein Lächeln ab. »Siehst du? Ich hatte Recht, was die Ehe mit einem jüngeren Mann angeht!«
Matilda setzte Henry auf ihre Hüfte, verzog das Gesicht und erwiderte nichts darauf.
»Wann soll das Baby kommen?«
»Irgendwann um Ostern herum.«
»Also mitten im Frühjahr. Das ist immer eine gute Zeit für eine Geburt. Wirst du nach Anjou zurückkehren?«
»Nicht, wenn ich in Rouen bleiben kann.« Matilda stellte Henry auf den Boden, damit er mit seinem Ball spielen konnte. »Geoffrey und ich …« Sie seufzte tief. »Sagen wir, wir haben nicht gerade Sehnsucht nacheinander. Ich habe einen Sohn in Anjou geboren. Warum soll ich mein nächstes Kind nicht in der Normandie zur Welt zu bringen?«
Adeliza lächelte immer noch, obwohl es sie einige Anstrengung kostete. Bis Ostern habe ich mich daran gewöhnt, dachte sie, und auch daran, dass sie höchstwahrscheinlich den künftigen König von England vor sich hatte.
»Du weißt, dass dein Vater will, dass die normannischen Barone dir zu Weihnachten noch ein Mal den Treueeid leisten – und dem Kleinen hier ebenfalls.«
»Ja, das hat er mir geschrieben. Deswegen wollte Geoffrey unter anderem, dass ich in die Normandie reise. Wir sind uns ja nicht in vielen Dingen einig, aber in politischen Fragen sind wir gleicher Meinung, besonders wenn sie unseren Sohn betreffen.« Sie rollte Henry den Ball hin, der ihn mit einer pummeligen Hand aufhob und wie einen Reichsapfel in die Höhe hielt.
Die Zofe kam
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