Die Hueterin der Krone
ich würde schon allein deshalb eine Tochter gebären, um seine und meines Vaters Pläne zu durchkreuzen – weil ich ein aufsässiges Luder bin. Es geschähe beiden recht, wenn es tatsächlich ein Mädchen wäre.« Sie unterdrückte einen Schrei, als die nächste Wehe einsetzte. »In den Büchern steht, die Frau sei das Gefäß, in das der Mann seinen Samen pflanzt. Wie kann dann die Mutter für das Geschlecht des Kindes verantwortlich gemacht werden?«
»Manchmal sind die Eizellen der Frau stärker als der Samen des Mannes, und dann wird das Baby ein Mädchen«, erklärte die dienstälteste Hebamme. »So sagt man jedenfalls.«
»In diesem Fall werden alle meine Kinder Mädchen«, Matilda atmete schwer.
Bei der nächsten Wehe erschien der Kopf des Babys im Eingang des Geburtskanals, dann folgten glitschige kleine Schultern und Arme. Matilda schloss die Augen, presste erneut und spürte, wie etwas Warmes, Feuchtes zwischen ihre gespreizten Schenkel glitt.
»Ein Junge!« Die Hebamme strahlte über das ganze Gesicht. »Madam, Ihr habt einen Sohn, und er ist einfach perfekt!«
Ein schwaches Greinen erfüllte das Zimmer, als die Frau den zappelnden, schleimbedeckten Säugling in die Höhe hielt, damit seine Mutter ihn bewundern konnte. Matilda empfand keine plötzlich aufwallende Mutterliebe, nur die Befriedigung, eine Aufgabe erfüllt zu haben, und überwältigende Erleichterung, weil sie diesmal ein lebendes, wohlgestaltetes Kind mit kräftigen Lungen geboren hatte. Das allein entlockte ihr ein Schluchzen.
Zwei Frauen durchtrennten die Nabelschnur und trugen den Säugling fort, um ihn in einem Becken mit warmem Wasser zu baden, während zwei andere bei Matilda blieben und sich um die Nachgeburt kümmerten. Sie war so erschöpft, dass sie kaum die Kraft aufbrachte, die dunkle, glibberige Masse aus ihrem Leib zu stoßen. Die Frauen machten es ihr so bequem wie möglich, entfernten die blutbesudelte Strohunterlage, banden ihr weiche Leinentücher zwischen die Schenkel, um die Nachblutung zu stillen, und bezogen das Bett mit sauberen Leinenlaken. Matilda trank einen kleinen Becher heißen, mit stärkenden Kräutern versetzten Wein und schloss die Augen. Sie hörte ein leises Plätschern, als die Frauen das Neugeborene wuschen, und das Gurren der Hebamme, die es in Windeln wickelte.
Der Friede dieses Augenblicks wurde zerstört, als an der Tür ein Tumult entstand und Geoffrey hereinstürmte.
»Wo ist das Kind?«, bellte er. »Ich will es sehen. Wo ist mein Sohn?«
Angesichts des unziemlichen Eindringens schnalzten die Hebammen vorwurfsvoll mit der Zunge, doch Geoffrey achtete nicht auf sie, sondern trat zu dem frisch gewickelten Baby, das auf einer am Feuer gewärmten Decke lag. »Nehmt ihm die Windeln ab«, befahl er. »Ich will mich mit meinen eigenen Augen davon überzeugen, dass es ein Junge ist.«
Trotz ihrer Erschöpfung war Matilda verärgert und betrachtete Geoffrey mit spöttischer Belustigung.
»Warum sollten wir dich anlügen? Glaubst du wirklich, wir würden eine Tochter als männlichen Erben ausgeben?«
»Dir traue ich alles zu«, knurrte er mit hochrotem Gesicht.
»Ich habe mich lange gequält, um ihn auf die Welt zu bringen«, versetzte Matilda. »Und davor habe ich ihn im Leib getragen. Ich bin froh, dass es ein Junge ist, denn so hat er schon von seinem ersten Atemzug an einen großen Vorteil auf seiner Seite. Warum sollte ich, nur um dich zu treffen, ein Mädchen gebären, dem ich doch zugleich wegen ihres Geschlechts die Zukunft verbaue?«
Geoffrey blickte auf das nackte Baby hinab und inspizierte die unleugbaren Tatsachen gründlich. Dann strich er mit einem Zeigefinger behutsam über die weiche Wange seines Sohnes. Der Kleine drehte leicht den Kopf, was ihm ein Lächeln entlockte. »Ein prächtiger Junge. Nun können wir ernsthafte Zukunftspläne schmieden. Nenne ihn Henry.« Mit einem knappen Nicken in Matildas Richtung verließ er das Zimmer so ungestüm, wie er es betreten hatte.
Matilda ließ sich in die Kissen sinken und kämpfte gegen die aufsteigenden Tränen an, als eine Zofe die Tür hinter ihm schloss.
»Bring mir meinen Sohn«, sagte sie. »Lass mich ihn ansehen.«
Die Hebamme wickelte das Baby wieder in seine Windeln und trug es behutsam zu Matilda hinüber. Sie barg ihn in ihrer Armbeuge und blickte auf das Kind hinab. Aus Angst, Zorn und weil ihr Leben ein Schlachtfeld war, über das sie keine Kontrolle hatte, hatte sie es nicht empfangen wollen. Doch auf dem Schlachtfeld
Weitere Kostenlose Bücher