Die Hüterin der Quelle
dem alle schönen Dinge verboten sind? Außerdem halten Speis und Trank Leib und Seele zusammen. So heißt es doch, oder?«
Sein polterndes Gelächter ging in einen Schmerzenslaut über.
»So schlimm, Exzellenz?«
»Schlimmer«, sagte der Fürstbischof gepresst. »Ich häng hier wahrlich nicht zum Vergnügen! Schon am Tag plagen einen die Schmerzen bis zum Wahnsinn. Aber sobald es dunkel wird, ist es, als hätten sich alle Teufel auf einmal gegen einen verschworen. Es gibt Nächte, da hilft nichts gegen das Reißen und Brennen in den Gelenken, nicht einmal das Otterfett, von dem ich nun im Übermaß besitze.« Er verzog die dicken Lippen. »Ganz im Vertrauen – es stinkt widerlicher als Dachspisse. Nur ein Tröpfchen davon aufs Bettzeug, und man kann alles auf der Stelle verbrennen!«
Er versuchte seine Position aus eigener Kraft zu verändern, brummte und stöhnte, um schließlich nur noch kläglicher in seinem Gefängnis zu baumeln.
»In solchen Nächten hat man ausreichend Zeit zum Nachdenken, Keller. Und das hab ich getan. Mir über meinen Bruder in Christo den Schädel zermartert.«
»Förner?«
»Wen sonst.« Fuchs von Dornheim begann zu schaukeln. »An Kirchweih hat er seinen Auftritt in St. Martin inszeniert, als sei er der Herr der Stadt. Ich wüsste nur zu gern, was ihm heute und morgen so in den Sinn kommt. An Allerheiligen sind die Menschen immer besonders fromm. Das wird er sich nicht entgehen lassen. Ich bin sicher, er brütet etwas ganz Besonderes aus.«
»Er hat sich nicht mit Euch abgesprochen?«, sagte Keller. »Er denkt nicht einmal daran. Nein, mit gutem Zureden lässt sich da schon längst nichts mehr machen. Die Scheiterhaufen in Zeil sind ihm nicht genug. Hier will er die Flammen zum Himmel steigen sehen, hier, in meiner Stadt. Es reicht ihm nicht, dass ich den Keller der alten Hofhaltung zum Verhörraum hab umbauen lassen, dass ich ihm gestattet habe, dort eine moderne Fragstatt einzurichten. Die Wände sind zum Glück dick genug, um das Schreien der Delinquenten nicht nach außen dringen zu lassen. Der perfekte Ort für diesen Zweck, würdest du doch auch sagen, oder nicht?«
Keller nickte beklommen.
»Aber er ist noch nicht zufrieden. Mehr will er, immer mehr. Jetzt hat Förner sich sogar den Bau eines eigenen Drutenhauses in den Kopf gesetzt und quält mich ständig mit irgendwelchen Plänen. Er ist unersättlich. Maßlos. Wie von Sinnen. Deshalb hab ich dich rufen lassen. Um ihm zumindest einen Schritt voraus zu sein. Also, was hast du für mich?«
»Ich fürchte, nicht ganz das, was Ihr Euch vorgestellt habt. Ich habe Euch die verschiedensten Stundenhoroskope ausgearbeitet, Exzellenz.« Der Astrologe hielt seinen Packen hoch. »Mehrere auf einmal. Weil wir ja nur den Tag vermuten, nicht aber die Stunde wissen.«
Der Fürstbischof hielt so abrupt im Schaukeln inne, dass der Leinensack bedenklich ächzte.
»Lass sehen!«
Keller hielt ihm die Blätter hin. Enttäuscht wandte sich Fuchs von Dornheim nach kurzem wieder ab.
»Alles wieder nur Linien und Symbole.« Er klang enttäuscht und gelangweilt. »Nichts als Kreuze und Kringel. Ich kann nichts damit anfangen. Es kommt mir alles sinnlos vor!«
»Hier – vielleicht ein Ansatz. Die Venus ist verletzt«, sagte der Astrologe. »Es könnte sich um eine junge Frau oder ein Mädchen handeln. Sie steht im Skorpion, eine Position, die mir ganz und gar nicht gefällt.«
»Weshalb?«
»Das achte Haus verkörpert den Tod – stirb und werde, wenn Ihr so wollt. Manchmal kann es sich auch um ein gut gehütetes Geheimnis handeln. Aber da wäre zudem auch noch der Stier mit einem wirklich übelst aspektierten Mars …« Er begann mit seinem Zeigefinger wie wild auf dem Blatt herumzufahren. »Dieser da. Seht Ihr? Mannigfache Deutungen kämen dafür in Frage: Wollust, Triebhaftigkeit, überschwängliche Leidenschaft, Gewalt …«
»Etwas konkreter geht es nicht, Keller? Was hat Förner vor?«
»Es ist konkret, Exzellenz. So konkret wie die Angaben, aus denen ich meine Schlüsse ziehen muss.«
»Nun gut.« Von Dornheims Ton war abschließend. »Dann belassen wir es für heute dabei. Vielleicht wissen wir ja morgen schon mehr. Und jetzt ruf meine Diener. Ich will raus aus dieser Affenschaukel.«
Zwei kräftige Männer kamen ins Zimmer. Aber auch Damian Keller musste mit Hand anlegen, um den Fürstbischof zu befreien.
»Ich wünschte nur, Adam Thies wäre bereits in Bamberg eingetroffen«, sagte er, während er sich in einen
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