Die Hüterin der Quelle
gefütterten Leibrock hüllen ließ. »Dann wüsste ich wenigstens einen an meiner Seite, der Förner auf die Finger schauen könnte.«
»Wird er denn kommen, Exzellenz? Oder sollen wir Grün noch einmal vorladen lassen?«
»Er wird kommen, verlass dich drauf.« Fuchs von Dornheim bleckte die Zähne. »Ich rechne mit Thies, Keller. Weißt du auch, warum?«
Er leerte den zweiten Krug.
»Jesuiten und Befehle, das geht zusammen wie Brot und Wein oder Soldaten und Uniform. Irgendwie steckt es ihnen im Blut. Manche rebellieren vielleicht zunächst dagegen. Aber zum Schluss bleibt immer ein einziger Sieger übrig – der Gehorsam.« Ein Seufzer. »Ich wünschte nur, meine Krippe wäre schon fertig!«
»Vergebt, Exzellenz, aber Ihr selber habt doch alles dazu getan, dass es länger dauert. Vater und Sohn Sternen wollten …«
Eine ungeduldige Geste brachte ihn zum Schweigen.
»Ich hätte nicht auf Förner hören sollen. Nicht einmal darin. Ich will die Menschen beten und büßen sehen – und er sie brennen. So kommen wir niemals zusammen. Lass den Schnitzer rufen. Sag ihm, er soll noch heute Abend kommen. Beim Vesperläuten. Und jetzt will ich endlich schlafen!«
Damian Keller verneigte sich tief, schon auf dem Rückzug.
»Deine fliegenden Blätter lass ruhig da«, forderte der Fürstbischof ihn auf. »Zu irgendetwas müssen sie ja taugen. Und wenn es nur dazu wäre, dass mir die Augen schneller zufallen.«
Er hatte vergessen, den großen Schrank abzusperren!
Im ersten Augenblick war Apollonia Krieger so überrascht, dass sie erstarrte. Dann aber kam Bewegung in sie, zunächst in ihr Hirn, danach in ihre Finger. Der Kanzler hatte ihr eine Menge Geld angeboten. Für Förners Briefe.
Vor ihr lagen mehrere Packen Beschriebenes, die wie Briefe aussahen. Lesen konnte sie nicht. Daher wusste sie nicht, ob sie mit ihrer Vermutung nicht falsch lag. Nähme sie alle, würde Förner es sofort bemerken. Wenn sie aber nur einen auswählte, wer sagte ihr dann, ob es auch der Richtige war?
Kilian Haag war anspruchsvoll und schwer zufrieden zu stellen, das hatte sie schon gemerkt. Eigentlich konnte sie ihn nicht leiden, mit seinem aufgeblasenen Gerede, von dem sie nur die Hälfte verstand, und der hochnäsigen Art, in der er sie behandelte. Seine Münzen aber, die mochte sie. Der Vorrat in ihrer Kammer war schon ordentlich angewachsen. Und wenn sie nachts bei Kerzenschein die Geldstücke durch ihre Finger gleiten ließ, kam beinahe so etwas wie Glück in ihr auf.
Aber Glück war etwas, was sich nicht festhalten ließ. Auch das wusste Apollonia. Vielleicht verlor er die Lust, wenn sie nicht endlich Brauchbares lieferte.
Ihre Hände tasteten weiter. Sie schnupperte. Der Veilchengeruch war da, wie beim letzten Mal, schwächer zwar, aber unverkennbar. Doch was hatte er mit den bunten Bändern angestellt, von denen sie Haag erzählt hatte?
Sie schaute in jedes Fach. Nirgendwo war mehr eine Spur von ihnen zu entdecken.
Unten hörte sie das Knarzen der Haustür. Dann Schritte, die sich der Treppe näherten. Förner oder sein Sekretär? Vielleicht sogar beide?
Sie kamen zurück – und sie hatte noch nichts erreicht!
Entschlossen griff sie nach einem Gebetbuch und schob es unter ihr Mieder. Apollonia rannte aus dem Zimmer, zog die Türe hinter sich zu und stolperte in blinder Hast die steilen Stufen zum Dachboden hinauf.
Zwischen den feuchten Laken, die schon seit Tagen nicht trocknen wollten, ging ihr Atem allmählich wieder langsamer. Sie schlug das Buch auf; benetzte zum Blättern die Finger mit Spucke, weil die Seiten mit dem Goldschnitt aneinander klebten.
Plötzlich stutzte sie.
In der Mitte des Buches lag ein rotes Seidenbändchen, stockfleckig und mürbe. Zusammen mit einem schmutzigen Blatt Papier, auf dem einige Sätze standen. Das Papier war fleckig, die Tinte zerlaufen – taugte das überhaupt noch etwas?
Sie schlug das Gebetbuch wieder zu. Presste es an ihren Busen. War ihr Fund nichts anderes als eine Versuchung des Teufels?
Oder die Garantie für eine goldene Zukunft?
Sein Gesicht veränderte sich, nachdem der Becher mehrere Male die Runde gemacht und Selina immer wieder daraus getrunken hatte, obwohl sie sich aus Bier nichts machte. Dabei schmeckte es gar nicht übel, lag stark und würzig auf der Zunge und erinnerte sie an den saftigen Räucherschinken, den es nur zu Weihnachten gab und von dem sie niemals genug bekommen konnte.
Aber weshalb verschwammen Lenz’ Züge mehr und mehr? Wieso war
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