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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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Gundels Brief spurlos verschwunden war, war sie ihm noch unangenehmer als bisher. Er hatte sie eine Weile schärfstens beobachtet, war jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass sie viel zu töricht sei, um etwas damit zu tun zu haben. Er würde weitersuchen, und wenn er das ganze Haus auf den Kopf stellen musste.
    »Mit neuen Gewändern.« Sie war noch nicht fertig. »Wenn Ihr ihn nicht sehen wollt, so sagt es ihm gefälligst selber. Auf mich hört er nämlich nicht.«
    Es blieb ihm nichts anderes übrig, als Lorenz Eichler zu empfangen. Er wählte dazu das kleinste, engste Zimmer, kaum mehr als eine Kammer. Dem Schneider schien es nichts auszumachen. Über seinem Arm hing mindestens ein Dutzend neuer Soutanen, glatt und schwarz, und sein Gesicht strahlte.
    »Tag und Nacht hab ich daran gearbeitet«, sagte er. »Sind sie nicht wunderschön geworden?«
    Förner nickte knapp.
    »Leg sie irgendwohin«, sagte er. »Ich habe jetzt keine Zeit.«
    »Ihr wollt sie nicht probieren?« Der kleine Mann sah plötzlich noch gebückter aus. »Keine einzige Soutane? Ich hab sie aus dem Gedächtnis nähen müssen, aber passen werden sie trotzdem, denn hier«, er tippte an seine Stirn, »sind alle Eure Maße eingraviert. Natürlich hab ich berücksichtigt, dass Ihr schmaler geworden seid …«
    »Später.«
    »Dann wollen wir uns gleich den Messgewändern zuwenden?« Das Strahlen auf Eichlers Gesicht kehrte zurück.
    »Hofmeister«, sagte Förner schnell. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn. »Er wird alles Notwendige in die Wege leiten.«
    »Und mein Geld? Und die neuen Stoffe? Wir haben noch gar nicht über die Materialien gesprochen! Außerdem wisst Ihr doch, Monsignore, dass ich Euren Sekretär nicht …«
    »Hofmeister«, wiederholte der Weihbischof, und der Boden begann unter seinen Füßen zu schwanken. »Hofmeister wird sich um alles kümmern.«
     
    Den Weg hinauf zur Alten Hofhaltung ging er so schnell, dass keiner ihm so leicht hätte folgen können, schon gar nicht dieses bucklige Schneiderlein. Erst als die Stadt unter ihm zurückblieb, gönnte Friedrich Förner sich eine Verschnaufpause. Es war kalt, der schneidende Wind brachte die Flamme des Kienspans fast zum Verlöschen. Schützend legte er seine Hand darüber. Der Winterabend hatte sich auf Bamberg gesenkt, sonst seine Lieblingszeit, in der er innige Zwiesprache mit der Gottesmutter zu halten pflegte.
    Heute aber fühlte er sich zerrissen. Tausend Teufel stritten in seiner Seele. Eichler setzte ihm zu, und er wusste nicht, wie er ihn loswerden sollte. Dazu dieser Holzhändler mit seinen Behauptungen! Aber wenn wahr war, was er sagte, mussten sie handeln und die Pacherin zumindest bis zur Entbindung auf freien Fuß setzen.
    Förner beschloss, sich in einem kurzen Gebet zu sammeln, bevor er Vasoldt und seine Gehilfen aufsuchte. Eine kleine Kapelle in dem alten Gebäude, still und abgelegen am Ende eines langen Ganges, war der richtige Ort dafür.
    Er öffnete die Tür. Es war dunkel, bis auf das Licht einer dicken, weißen Kerze, die ihn an seine heutige Messe erinnerte. Sofort fühlte er sich besser. Langsam ging er nach vorn, um vor der Marienstatue niederzuknien, doch der Platz vor dem kleinen Altar war bereits besetzt.
    Der Betende wandte sich um, sah ihn an. Und plötzlich überkam Förner das widerliche Gefühl, die graue Katzenbestie würde ihm um die Waden streichen.
    Denn es war Adam Thies, der die Kommission an ihrer Arbeit hinderte, seit er die Stadt betreten hatte.
    Thies, der dieses taube Mädchen schonte, das sonst sicherlich längst gestanden hätte.
    Thies, der angeblich auf Geheiß des Fürstbischofs das tote Kind mit dem Mal in aller Stille hatte begraben lassen, anstatt es zu verbrennen.
    Thies, der einen Rosenkranz mit dicken roten Perlen um seine Hände geschlungen hatte – Förners heiß geliebte, lang vermisste Korallen!

    Kaum war Förner weg, verließ auch Apollonia Krieger das Haus. Ein merkwürdiges Gefühl hatte sie ja gleich gehabt, damals, als die Tochter des Braumeisters sie in die Stube gezogen hatte. Aber diese Marie Sternen hatte so sicher geklungen, so bestimmt, und Apollonia hatte das Gebetbuch mitsamt seinem Inhalt nur zu gerne loswerden wollen.
    Inzwischen wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Als die Tage verstrichen und von Haag nichts zu sehen war, stieg ihre Unruhe, aber sie zwang sich abzuwarten.
    Nun jedoch schien es ihr an der Zeit, sich Gewissheit zu verschaffen.
    Ja, Kilian Haag sei aus Nürnberg zurück,

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