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Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
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nur eine neue Taktik – oder lag Toni mit seiner Furcht vor ihm völlig daneben? Er entschloss sich, das schwierige Thema heute noch nicht anzusprechen.
    »Kannst dich auf mich verlassen«, sagte Lenz.
    Toni fühlte sich erleichtert, trotz allem.
    »Kommst du jetzt mit zur Kirche? Ich muss mich beeilen, sonst fangen sie ohne mich an. Und dann wird der schwarze Prediger wieder wütend.«
    »Warum eigentlich nicht?«, erwiderte Lenz.

    Das Kirchenschiff von St. Martin lag in vollkommener Dunkelheit. Erst als Toni zu singen begann, flammte die erste Kerze auf.
    »Maria durch ein’ Dornwald ging. Kyrie eleison …«
    Ein Raunen ging durch die Reihen, wie aus einer einzigen Kehle. Die erste Strophe war bereits vorüber, bis sie den Mut fanden einzustimmen, dann aber taten sie es.
    »Was trug Maria unter ihrem Herzen? Kyrie eleison …«
    Förner wartete nicht das Ende des Liedes ab. Schneidend fuhr seine Stimme nach der zweiten Strophe dazwischen. Er hatte die halbe Nacht in der Bibel gelesen, um sich schließlich für diese Stelle bei Matthäus zu entscheiden:
    »Der, der den guten Samen kennt, ist der Sohn des Menschen. Der Acker ist die Welt; der gute Same, das sind die Söhne des Reiches. Das Unkraut sind die Kinder des Bösen; der Feind, der es aussäte, der Teufel …«
    Jeder wusste, wovon er redete. Die Furcht wuchs in Bamberg, manchmal glaubte er, sie mit Händen greifen zu können. Aber er war noch längst nicht am Ziel. Noch stieg kein reinigender Rauch zum Himmel auf. Noch musste er warten.
    Wie lange noch?
    »… der Sohn des Menschen wird seine Engel aussenden, und sie werden aus seinem Reich alle sammeln, die ein Ärgernis sind und die, welche tun, was wider das Gesetz ist, und werden sie dann in den Feuerofen werfen …«
    Berauscht von der Wirkung seiner Worte, ging er nach der Messe in die Sakristei. So konzentriert wie heute war er lange nicht mehr gewesen, so brennend, so voller Leidenschaft.
    »Die Glut des Glaubens«, murmelte er und spürte genussvoll das unbarmherzige Wirken des Stachelfreundes an seinem Schenkel, wo inzwischen Geschwüre eiterten. »Sie allein kann unsere Rettung sein.«
    Alles verlief nach Plan. Die Restaurierung seiner Kirche neigte sich dem Ende zu. Die neuen Fenster waren eingesetzt, der Glockenturm renoviert. In wenigen Tagen würde seine Spitze in frischer Vergoldung erstrahlen.
    Gabriel Hofmeister empfing ihn an der Türe. Hinter ihm wartete ein massiger, gedrungener Mann.
    »Wieso hast du ihn …«, konnte Förner gerade noch sagen, da warf sich der Eindringling schon vor ihm auf die Knie.
    »Für mein armes Weib bitte ich, Monsignore«, stammelte er. »Ihr dürft ihr nichts antun. Agnes ist unschuldig – ich weiß es!«
    Förner starrte auf den wulstigen Nacken. Als er den Kopf hob und mit nassen Augen zu ihm aufsah, erkannte er ihn.
    »Steht auf, Pacher«, sagte er angewidert. »Benehmt Euch wie ein Mann!«
    Harlan Pacher rührte sich nicht von der Stelle. »Erst, wenn Ihr mir meine Agnes wiedergebt!«
    »Das zu entscheiden ist Aufgabe der Malefizkommission«, sagte Förner. »Sie wird das richtige Urteil fällen.«
    »Welches Urteil?«, jammerte Pacher. »Drei kleine Kinder weinen zu Hause nach ihrer Mutter – das Jüngste nicht einmal ein Jahr!«
    »Daran hätte sie früher denken sollen. Und Ihr, Pacher, solltet ebenfalls zur Vernunft kommen. Fasst Euch. Sonst müsste ich meine Konsequenzen ziehen. Schließlich gibt es noch andere Holzhändler in Bamberg und Umgebung.«
    Ein Ruck schien durch Harlan Pacher zu gehen. Die Aufträge für die Zeiler Scheiterhaufen hatten ihm ordentlich Geld eingebracht. Förner hatte ihm eingeschärfte, die Angelegenheit diskret zu behandeln, und er hatte sich daran gehalten. Aber wenn Förner sich nicht mehr an ihre Abmachung gebunden fühlte, wieso sollte er es dann tun?
    »Meine Agnes verschachere ich nicht für ein paar lumpige Fuder Holz.« Er erhob sich schwerfällig. »Außerdem dürft Ihr sie nicht länger eingesperrt halten – sie ist nämlich schwanger!«
    Förner erstarrte. »Davon ist mir nichts bekannt«, sagte er steif.
    »Aber ich weiß es. Es ist wahr – bei meinem Leben. Lasst meine Frau frei. Sie ist in der Hoffnung mit unserem vierten Kind!«
    Später wusste der Weihbischof nicht mehr genau, wie es ihm gelungen war, sich aus dieser Zwickmühle zu befreien. Denn kaum war er zu Hause angelangt, bedrängte ihn bereits Apollonia Krieger.
    »Schon wieder dieser Eichler«, sagte sie verdrießlich.
    Seit

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