Die Hüterin der Quelle
Hollerbaum.
»Barben, und das hier sind Brachsen zum Verlieben. Sogar Aiteln hab ich. Und hast du schon einmal zuvor so prächtige Blaunasen gesehen? Den halben Fluss hab ich dir leer gefischt – und dann dieser Empfang! Die Leute werden deinen Stand stürmen, wenn sich rumspricht, was du anbietest.«
»Komm erst einmal herein«, sagte Ava.
Er streichelte nachlässig Reka, ließ sich auf die Bank fallen, tat, als sei er zu Hause. Sie stellte ihm einen Becher Holunderwein hin, den er in einem Zug austrank, ebenso den nächsten.
»Hast du nichts anderes?«, sagte er. »Etwas Besseres als dieses Kinderzeug?«
»Einen Rest Wacholderbrand, wenn du willst.«
»Dann gib mir den. An manchen Tagen braucht ein Mann einen starken Freund.«
Wortlos stellte sie ihm den Krug hin. Mathis bediente sich, ausführlich, wie sie registrierte. Eine seltsame Unruhe ging von ihm aus. Er kam ihr vor wie ein Waldtier, das mit allen Sinnen Witterung aufgenommen hatte.
»Du siehst blass aus«, sagte er schließlich und hob die Lampe, um sie besser sehen zu können. »Blass, aber verdammt schön. Ich hab dich vermisst. Du mich auch?«
»Wie viel bekommst du für den Fang?«
»Nichts«, sagte er. »Solltest du eigentlich wissen.«
»Und du solltest aufpassen«, sagte sie, heftiger als eigentlich beabsichtigt. »Bastian und die anderen Fischer sind nämlich hinter dir her. Sie haben deine Wilderei gründlich satt.«
»Ach, hat er dich gewarnt? Weil er endlich kapiert hat, dass wir beide zusammengehören? Denn das tun wir doch, oder? Ich, der Mann vom Fluss, der kein Zuhause hat, und du, die Frau von nirgendwoher.«
Plötzlich war er neben ihr. Sie spürte seine Muskeln unter dem Hemd, seinen warmen Bauch, als er sie an sich zog. Seine Hände glitten zu ihren Brüsten. Unwillkürlich wurde sie weich in seinen Armen, dann jedoch versteifte sie sich. Sie hatte seinen Körper immer gemocht und auch die Art, wie er sie anfasste, aber heute war es anders.
»Lass mich«, sagte sie. »Bitte!«
»Was ist, Ava? Es ist doch nicht wirklich dieser lahme Mendel? Das kannst du mir nicht antun!«
»Nein. Ich bin nur nicht in Stimmung.«
»Aber deine Augen glänzen, und deine Haut glüht. Und vorher, als ich dich berührt habe ...«
Sie drehte sich abrupt weg.
»Wer ist es?«, sagte Mathis. »Kenn ich ihn?«
»Was meinst du?«
»Keine Spiele, Ava. So haben wir es immer gehalten.«
»Immer, wenn wir wollten. Und heute will ich nicht.«
»Ich glaub dir kein einziges Wort.« Er ging zum Tisch, goss sich nach, trank.
»Du kannst gern die ganze Nacht Wacholderschnaps in dich hineinschütten«, sagte sie. »Ich geh jetzt schlafen.«
»Da bin ich doch mit dabei!«
»Bist du taub?« Sie stieß ihn zurück, als er sie umarmen wollte. »Ich will für mich sein. Ist das denn so schwer zu begreifen?«
Seine Hände packten ihren Kopf und hielten ihn fest. Reka schoss mit gesträubtem Nackenhaar aus seiner Ecke. Sie rief ihm einen kurzen Befehl zu, er reagierte, aber zögernd.
Immer noch sehr wachsam, blieb er auf halber Strecke stehen.
»Mach mich nicht wütend!«, sagte Mathis. »Du weißt, was dann passieren kann. Und nicht mal dein Otterscheusal nützt dir dann noch etwas.«
»Davon würde ich an deiner Stelle nicht ausgehen, Mathis«, sagte sie ruhig. »Reka kann sehr schnell sein. Und mindestens so wütend werden wie du. Aber auch ohne ihn hab ich keine Angst vor dir.« Sie ließ zu, dass er ihre Lippen streifte, aber sie erwiderte den Kuss nicht. »Ich wusste nur nicht, dass du Frauen jetzt nötigst. Das ist mir neu.«
Er ließ sie sofort los. Der Otter legte sich auf den Boden, ohne an seinen alten Platz zurückzukehren.
»Es ist dir also ernst«, sagte er. »Weshalb hast du das nicht gleich gesagt?«
»Du bist ja verrückt!«
»Ja, vielleicht bin ich das. Aber du bist es auch.« Aus der Nähe sah sie neue Linien um seinen Mund. Es war ein hartes Leben, das er führte, ohne Rast, ohne Schutz, so gut wie mittellos, obwohl er stets beteuerte, sich kein anderes zu wünschen. »Kauerst mitten in der Nacht vor deinem Ofen und träumst mit offenen Augen von einem Kerl, der sich herumtreibt, anstatt dich glücklich zu machen.«
»Das geht dich gar nichts an!«
»Und ob es das tut.« Noch nie hatte sie ihn so aufgebracht gesehen, so verletzt.
»Ich will nicht darüber reden.«
»Was ist los mit ihm? Will er dich nicht? Oder hat er schon eine Frau und weiß nicht, wie er sie am besten belügen soll? Komm schon, Ava, jetzt, wo wir einmal
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