Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin der Quelle

Die Hüterin der Quelle

Titel: Die Hüterin der Quelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Riebe
Vom Netzwerk:
wollen. Die weichen Knie, jedes Mal, wenn sie den blonden Jungen nur von ferne sah. Das wehe Gefühl im Herzen, wenn sie sich wieder von ihm trennen musste. Vor allem jedoch die Freude, wenn Lenz sich die Mühe machte, mit ihr zu reden, als sei sie genauso wie alle anderen. Er mochte sie, das spürte sie. Und sie konnte kaum noch an etwas anderes denken.
    Aber wenn nicht einmal Simon sie verstand – wer dann?
    Sie ging zur Hobelbank und nahm einen kleinen Bock auf. Es war, als spräche sie nur zu ihm, zu dem groben Holzmodell in ihrer Hand.
    »Außer Freunden«, sagte sie so leise, dass er es nicht hören konnte.

    Er kam nicht, als der Mond voll über den Wolken schwamm, und auch nicht, als die runde Scheibe Nacht für Nacht wieder an Umfang verlor. Ava hatte längst aufgehört, auf dem Markt nach ihm Ausschau zu halten.
    Es war, als sei Veit Sternen spurlos verschwunden.
    Sie war nicht länger aufgeregt, sie war nicht einmal zornig. Aber sie ging ihn auch nicht suchen. Sie nahm als Zeichen, was geschah, ohne es zu bewerten, aber sie verstand es nicht. Sie hatte gespürt, wie sehr sie ihm gefiel. Weshalb zierte er sich auf einmal?
    Jetzt tat es ihr beinahe Leid, dass die Kinder nicht mehr da waren. In der alten Hechtmühle waren sie untergekrochen und schienen sehr beschäftigt, sich dort häuslich einzurichten. Kuni, Toni und Kaspar hatte sie schon seit Tagen nicht mehr gesehen. Nur Lenz war gekommen, mit Lenchen, weil sie sich ein Häubchen wünschte, damit nicht alle ihren kahlen Kopf anstarrten, und hatte ihr bei dieser Gelegenheit davon erzählt.
    Sie gab ihnen alte Decken mit, Becher und ein paar Schüsseln, und sah den beiden nach, als sie Hand in Hand davonstapften; in den abgelegten Kleidern aus ihrer Truhe sahen sie beinahe wie ehrbare Handwerkerkinder aus. Einen Augenblick hatte sie sogar gedacht, dass Lenchen am liebsten bei ihr geblieben wäre. Die Kleine im roten Häubchen hatte sie so sehnsüchtig angesehen und ihr nachgewinkt, bis Lenz sie energisch weiterzog.
    Ava kehrte zu ihrem bisherigen Leben zurück, zum Ausnehmen und Salzen der Fische, zum Schichten des Buchenholzes, zum Aufhängen und Wiederabnehmen des Geräucherten im Ofen. Alle Hände voll hatte sie damit zu tun, denn Bastian Mendel versorgte sie so üppig, dass ihr wenig Zeit zum Nachdenken blieb. Der Münzvorrat in ihrem Versteck wuchs. Alles in Bamberg hatte sich empfindlich verteuert seit jener Frostnacht, und so hatte auch Ava den Stückpreis für ihre Räucherware heraufgesetzt. Den Leuten schien es nichts auszumachen. Sie kauften mehr als je zuvor.
    Sie war gerade dabei, das Holzmehl der letzten Räucherung zusammenzukehren, als sie eine Bewegung in ihrem Rücken spürte. Reka hatte nicht geknurrt, wie er es sonst immer tat, wenn ein Fremder sich dem Haus näherte. Es musste also jemand sein, den er kannte – oder jemand, dem er spontan vertraute.
    Ihr Herz begann schneller zu schlagen. Freude stieg in ihr empor, ein Verlangen, so stark, dass sie sich beinahe dafür schämte. Männerhände legten sich auf ihre Hüften, und für ein paar Augenblicke überließ sie sich mit geschlossenen Augen ihrer Kraft und Wärme.
    Er war da. Sie hatte nicht umsonst gewartet.
    »Da hat jemand ja richtig Sehnsucht!« Die spöttische Stimme ernüchterte sie. »Hätte ich das geahnt, wäre ich früher gekommen.«
    »Du bist es!« Sie machte sich frei, stand auf und drehte sich leicht verlegen zu ihm um.
    »Hast du einen anderen erwartet? Etwa deinen alten Freund Mendel?« Mathis grinste. Er trug ein helles Hemd, zerschlissene Hosen, die unter dem Knie lose zusammengebunden waren, und seine unvermeidlichen Stulpenstiefel, die er am liebsten sogar im Bett angelassen hätte. »Sag nur, der schüchterne Fischermeister schleicht sich mitten in der Nacht zu dir heraus, um dir ein paar schöne Stunden zu bereiten!«
    »Lass Bastian in Ruhe!« Obwohl es dunkel war, machte es ihr etwas aus, dass sie so schmutzig und verschwitzt wie eine Kehrmagd vor ihm stand. »Er hilft mir, wo er kann. Und er tut es gern. Ohne ihn hätte ich meinen Stand schon längst zumachen müssen. Oder glaubst du vielleicht, ich könnte von deinen spärlichen Almosen leben?«
    »Almosen, sagt sie!« Mathis zog einen großen Korb hinter sich her. »Almosen – ich hör wohl nicht recht! Und dabei hat sie noch nicht einmal einen einzigen Blick auf all meine Köstlichkeiten geworfen.«
    Er zog einen Fisch nach dem anderen heraus. Hinter ihm fuhr der Nachtwind in den

Weitere Kostenlose Bücher