Die Hüterin der Wölfe (Die Steinzeit-Trilogie) (German Edition)
richtete sich etwas auf und sofort begann die Welt sich zu drehen. Ihr wurde schlecht und sie sank wieder hin. Vorsichtig öffnete sie die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Es war nicht völlig dunkel, vielleicht war die Sonne gerade untergegangen. Vielleicht würde sie aber auch bald wieder aufgehen, was ihr momentan die deutlich bessere Variante schien. Sie tastete ihren Kopf ab und fand eine dicke Beule mit einer klebrigen Flüssigkeit. Sie blutete also. Verletzt und unbewaffnet. Toll. Dann würden sie ja bald ein paar Raubtiere anlocken. Ein Wunder, dass noch niemand an ihr geknabbert hatte. Sie versuchte erneut sich aufzurichten. Sie musste auf einen Baum klettern. Eine andere Lösung war nicht in Sicht. In ihrem Zustand schien dieses Vorhaben allerdings kaum umsetzbar zu sein. Der Schlag auf den Kopf war zu hart gewesen. Sie konnte sich kaum bewegen, würde also sicher keinen Baum erklimmen können. Und selbst wenn bestand die Gefahr, dass ihr dort oben schwindlig wurde, sie den Halt verlor und herunterfiel. Sie seufzte. Das waren ja schöne Aussichten. Im Dunkeln und in diesem Zustand würde sie nicht ins Lager zurück finden, Rettung war also frühestens mit dem nächsten Sonnenanstieg möglich und sie wusste nicht, wann das sein würde. Mühsam zog sie sich zumindest in den Sitz und lehnte sich an den nächsten Baum.
Ob noch jemand nach ihr suchte?
Die Wölfin roch Blut. Eine verletzte Beute, ziemlich weit entfernt, aber anscheinend frisch. Hungrig verließ sie ihren Posten in der Nähe des Menschenlagers. Die Menschen waren weitergezogen und sie war ihnen gefolgt, auch wenn sie dabei allein durch fremde Territorien streifen musste. An diesem Tag waren die Menschen in Aufruhr gewesen. Sie wusste nicht, was los war, aber alle waren aufgeregt hin- und hergelaufen. Auch jetzt schliefen einige noch nicht. Sie saßen an den Flammen und manchmal liefen sie noch mit ihnen herum. Die Wölfin musste besonders vorsichtig sein, sie wollte ihnen jetzt noch nicht begegnen. Sie folgte der Witterung tiefer in den Wald. Als sie näher kam, wurde ihr der Geruch bekannt. Es war ein Rudelmitglied. Keine Beute. Ein verletztes Rudelmitglied. Sie erinnerte sich. Es war ein kleines Weibchen, das sich öfter in der Nähe des Jungen des Rudelführers aufgehalten hatte. Sie lief schneller. Und dann bemerkte sie einen weiteren Geruch. Ein fremder Wolf.
Vorsichtig näherte sie sich der Stelle, wo das verletzte Weibchen aus ihrem ehemaligen Menschenrudel an einem Baum saß. Sie war schwach und ängstlich. Die perfekte Beute für einen Wolf.
Renaa zuckte zusammen. Kurz vor einer erneuten Ohnmacht hatte sie ein Geräusch gehört. Ganz nah. Viel zu nah. Sie bekam Angst und versuchte etwas in der Dunkelheit auszumachen. Ein Rascheln und dann kamen zwei gelbe Augen auf sie zu. Ein Wolf. Renaa drückte sich an den Baum. Sie wusste nicht, was sie machen sollte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Der Wolf kam näher und sie erkannte Statur und Fell. Es war rot und sie schöpfte kurz Hoffnung. Aber konnte das sein? War die Wölfin ihnen bis hierher gefolgt? Hatte Pinaa sie heimlich mitgenommen? "Bist du das?" flüsterte sie zitternd. "Bist du das, Pinaas Wölfin?" Als Antwort schleckte ihr die Wölfin über das Gesicht und -als sie sie erleichtert umarmte und den Kopf in ihr Fell vergrub- auch über die Wunde am Kopf. Die raue Zunge tat weh, aber Renaa wehrte die Hilfe nicht ab. Sie war gerettet. Sie war so froh. Dass die Wölfin Anatoo gebissen hatte, war im Moment nicht wichtig. Vielleicht war es ja doch anders gewesen. Die Wölfin wollte sie nicht beißen oder fressen, sie wollte ihr helfen, da war sie jedenfalls sicher.
Die Wölfin versorgte die Verletzung. Mit dem Blutgeschmack auf der Zunge und dem Hunger im Bauch fiel es ihr schwer, das Beuteschema zu verdrängen. Aber sie spürte die Freude und das Vertrauen des kleinen Weibchens und sie würde ihr helfen. Sie würde sie zurück ins Lager bringen, egal was dann dort passierte.
Eine Präsenz hinter ihr unterbrach ihre Überlegungen abrupt. Schnell und kampfbereit drehte sie sich um. Das war der Wolf, den sie vorhin gewittert, dann aber völlig vergessen hatte. Es war ein großes dunkelgraues Männchen. Die Wölfin schaltete auf Verteidigung um. Sie stellte sich groß und breit vor den kleinen Menschen, richtete Haare und Ohren auf, zeigte leicht die Zähne und knurrte tief.
Der fremde Wolf drehte den Kopf weg und ging ein paar Schritte zur Seite. Er war offenbar gar nicht an
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