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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Architektur wirkt sehr ungewöhnlich auf mich, als wäre dies eine zweischiffige Kirche. So etwas gibt es hierzulande selten ... Aber darüber möchtet Ihr mit mir natürlich nicht sprechen.«
    Christiane stieß einen entnervten Seufzer aus. »Allerdings. Für eine Stadtführung geht es mir beileibe nicht gut genug.«
    »Ja, natürlich«, stimmte er zu und fuhr nach einer winzigen Pause sachlich fort: »Also gut: Sebastian Rehm ließ mich kommen, weil er meinte, niemandem sonst vertrauen zu können. Er befürchtete, dass ein Protestant später zu wenig Gehör erhalten würde und der Gemeindepfarrer nicht die richtige Adresse sei. Mein Orden gilt als aufgeschlossen, und die Mitglieder sind von hoher Bildung und Intelligenz. Deshalb hat er mich ausgewählt.«
    Bedeutete diese etwas eitle Erklärung des Jesuiten, dass Sebastian nicht von der Reformation abgekommen war, wie sie befürchtet hatte? War ihr Freund und Mentor als guter Protestant gestorben? Auf Christianes Stirn erschien eine steile Falte.
    »Leider konnte mir der Sterbende nicht mehr so viel berichten, wie nötig gewesen wäre, um die weiteren Morde zu verhindern«, sprach Pater Ehlert und setzte seinen Spaziergang in gemächlichem Tempo fort. »Er glaubte, dass er vergiftet worden wäre, was ich ...«
    »Ich weiß«, unterbrach Christiane rasch. »Der Verleger aus Frankfurt, Herr Delius«, sie konnte nicht verhindern, dass sich ihre Lippen zu einem zarten Lächeln verzogen, als sie seinen Namen nannte, »erhielt mehrere Briefe von Sebastian. Er schrieb ihm von seiner schlimmen Befürchtung.«
    »Ach, tatsächlich? Nun, ich war mir damals nicht sicher, aber inzwischen bin ich überzeugt davon, dass er recht hatte. Es war kein Todeswahn, sondern die Wahrheit.« Pater Ehlert senkte gedankenverloren den Kopf. »Viel schlimmer erschienen mir jedoch die Hinweise des Dichters auf Fälschungen von Schriften Martin Luthers zu sein, die er im Auftrage eines anderen verfasste und die seine Seele belasteten.«
    Einige Atemzüge lang fragte sich Christiane, ob sie ihm den Gefallen erweisen und in Ohnmacht fallen oder wenigstens schockiert sein sollte. Wahrscheinlich erwartete er diese Reaktionvon ihr. Sie entschied sich indes für schonungslose Offenheit, obwohl ihr Herz bis zum Halse klopfte und sie ganz und gar nicht sicher war, ob sie das Richtige tat: »Auch davon habe ich Kenntnis. Nicht nur, weil Wolfgang Delius darüber Bericht erstattet wurde – ich habe die Manuskripte mit eigenen Augen gesehen.«
    Er sah sie überrascht an. »Sind diese noch in Eurem Haus?«
    »Was glaubt Ihr wohl, warum der Teufel bei mir eingebrochen ist?«, fragte sie bitter zurück.
    Vorsicht!, mahnte eine Stimme in ihrem Geist. Sie machte es ihm sehr leicht, wenn er der Täter war. Und bislang sprach nichts dagegen, dass er die Morde nicht begangen haben könnte. Er erzählte ihr nur, was sie ohnehin schon wusste. Das war kein Vertrauensbeweis.
    »Sebastian Rehm sagte nichts davon, dass Euer Gatte mit der Sache zu tun habe. Genau genommen erfuhr ich nie davon. Meine Vermutung beruhte auf einem Brief Severin Meitingers. Er schickte mir ein Billett und bat mich nach Auerbach, in die Poststation, wo er ein wichtiges Gespräch führen wolle und einen Zeugen brauche. Leider kam ich zu spät, um ihm dienlich zu sein.«
    »Da seid Ihr nicht der Einzige«, gab sie unwirsch zurück. Das Gespräch zerrte zunehmend an ihrer Geduld. Allmählich verlor sie wieder jedes Vertrauen in den Priester, obwohl sich seine Ausführungen mit denen ihres Vaters deckten. Es war jedoch einfacher, Pater Ehlert für den Schuldigen zu halten, als ihm die Sympathie zu schenken, die er andernfalls wahrscheinlich verdient hätte.
    »Ich weiß, der Stadtbrunnenmeister war aus demselben Grund zugegen. Euer Vater hat es mir gesagt.«
    »Mir auch, und wenn Ihr mir weiter nichts zu offenbaren habt, würde ich jetzt gerne nach Hause gehen. Wie ich schon sagte: Ich fühle mich nicht wohl, und das grelle Sonnenlichtbereitet mir Kopfschmerzen.« Letzteres war eine Lüge, denn die Pein lösten eher seine Worte aus als das Wetter.
    »Meitingerin«, er fasste nach ihrem Arm, und sie atmete unwillkürlich scharf ein, was ihn jedoch nicht zu stören schien, denn er drehte sie energisch zu sich, »betrachtet mich bitte nicht als Euren Feind. Ich habe Euch in den vergangenen Wochen zu schützen versucht. Deshalb bin ich Euch oftmals nachgegangen. Es tut mir aufrichtig leid, dass ich die Aufregung heute Nacht nicht verhindern

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