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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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Eurem Gemahl gründete er eine wissenschaftliche Gemeinschaft, von der er sich Großes versprach, sobald andere berühmte Mitglieder dazustoßen würden.«
    »Was für eine Gesellschaft? Davon habe ich nie gehört«, in Gedanken fügte sie verärgert hinzu, dass Severin ihr auch nie von seinen geschäftlichen Belangen berichtet hatte. Allerdings hatte Sebastian diesen Kreis auch vor Martha verschwiegen, zumindest hatte ihre Cousine niemals davon berichtet. DasHerz wurde Christiane schwer, als sie sich bewusst machte, dass sie sich nicht mehr mit Martha darüber austauschen konnte.
    »Die Sodalitas litteraria Augustana war vor einigen Jahrzehnten eine illustre Bruderschaft, die dank ihrer Mitglieder zu erheblicher Berühmtheit gelangte, allesamt schlaue Köpfe, die sich dem Humanismus verschrieben hatten und ein neues Geschichtsbild propagierten«, erklärte Pater Ehlert geduldig. »Die Reformation beendete die Gesprächskreise bedauerlicherweise. Hier in Augsburg ebenso wie in Ingolstadt, Nürnberg und anderswo. Die Schaffung einer neuen Gemeinschaft nach altem Vorbild hätte den Gründungsmitgliedern sehr viel Ehre eingebracht.«
    Obwohl die Sonne in ihre Augen stach, sah Christiane mit einem Mal klarer als zuvor. »Georg Imhoff«, flüsterte sie.
    »Was ist mit ihm?«, fragte Pater Ehlert in einem Ton, der mehr Besorgnis über Christianes Geisteszustand erkennen ließ als über das Wohl des Dichters.
    Die alte Lebendigkeit kehrte in ihren Körper zurück, als sie dem Priester wild gestikulierend die Gefahr zu verdeutlichen suchte, in der Georg Imhoff ihrer Meinung nach schwebte: »Es liegt ganz klar auf der Hand: Sebastian Rehm, mein Gatte und Georg Imhoff haben diese wichtige Gesellschaft gegründet. Ihr Ziel war ganz gewiss ein Großes, und sie beschworen damit Feindschaften herauf. Ob diese nun aus religiösem Grund sind oder weltliche Macht eine Rolle spielte, kann ich nicht sagen. Aber Tatsache ist, dass zwei der drei Gründungsmitglieder ermordet wurden. Der dritte gewaltsame Tod steht deshalb bevor. Da bin ich ganz sicher.«
    Pater Ehlert blickte sie verblüfft an, sagte aber weiter nichts zu ihrer Vermutung.
    Ihr Herz klopfte wild, gegen jede Konvention zerrte sie den Geistlichen am Arm. Ein Hauch der alten Gefühle, die sie fürMeitingers Freund empfunden hatte, gewann die Oberhand. Die Wahrheit, dass er Sebastian Rehm ausgenutzt und in der Armut hatte dahinsiechen lassen, verschwand vor der Gefahr, in der sie dessen einstigen Freund wähnte. »Bitte bringt mich rasch nach Hause. Ich muss einen Brief schreiben. Es geht um Leben und Tod.«

38
    Die Gaststube der Herberge »Zu den drei Mohren« war bereits zu Beginn der Abenddämmerung überfüllt. Wolfgang Delius fragte sich, wie voll es wohl noch werden würde, wenn erst die Dunkelheit über der Stadt hereinbrach und die gewohnheitsmäßigen Zecher ihren Becher verlangten. Allerdings war dies die beste Adresse für Reisende in Augsburg, was vermutlich daran lag, dass die Nähe zum Weinmarkt viele Kuriere, Ritter und Söldner anlockte, die in Diensten des Königs standen, der im nur einen Steinwurf entfernt liegenden Stadthaus der Fugger residierte. Und weil es die beste Adresse war, war es wahrscheinlich auch die am besten besuchte.
    Obwohl sich hier eine andere Klientel niederließ als in den einfachen Wirtshäusern der Jakobervorstadt, roch es nicht angenehmer. Kaminrauch, Körperausdünstungen und der Duft von Wein, Bier und Gebratenem nahmen dem Verleger den Atem. Seinen Ohren ging es nicht besser als seinen Lungen: Die Männer an den Tischen johlten, wenn sie nicht tranken oder aßen, redeten zu laut, diskutierten, rissen Zoten oder schüttelten den Würfelbecher mit ungeahnter Kraft und Lautstärke. Manche von ihnen hielten Frauen in den Armen, die gelegentlich in schrilles Gelächter ausbrachen, ansonsten aber den Mund hielten, wenn sie nicht auf der Suche nach einem Fremden waren, der ihre Zeche bezahlte – und nochmehr. Die eine oder andere Hübschlerin war sogar eine Augenweide, aber Wolfgang schickte sie trotzdem fort.
    »Du könntest ein wenig mehr Mitgefühl zeigen«, nörgelte Ditmold und blickte einem jungen Freudenmädchen nach, das keck seinen blonden Zopf über die nackte Schulter warf, die von einem wie zufällig herabgerutschten Ärmel freigegeben wurde. »Frag doch wenigstens, ob mir der Sinn nach einem Weib steht, bevor du alle Frauen vertreibst.«
    »Die war zu billig«, erwiderte Delius trocken.
    »Einerlei. Sie ist ein Weib. Es

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