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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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und den Ritter geben. Christiane Meitinger ist eine Dame, die schon genug unter der Tragödie zu leiden hat. Wenn die Nachbarn nun auch noch über einen anderen nächtlichen Besucher als Luzifer zu klatschen beginnen, ist ihr Ruf restlos ruiniert.«
    Die gestrengen Worte verfehlten ihre Wirkung nicht. Wolfgang Delius ließ die Schultern hängen und stützte die Ellenbogen auf den Tisch, um seinen Kopf müde in seine Hände zu legen. Plötzliche Sorge hatte ihn seine gute Erziehung vergessen lassen. Und ein bestimmtes Verlangen.

39
    Christiane brach unter ihrer Erschöpfung und der Wirkung des Laudanums zusammen. Die Anwesenheit der Magd im Haus und der Wache davor halfen ihr zudem, Ruhe zu finden. Die Dienerin kümmerte sich um den kleinen Johannes, der Söldner würde sie beschützen. Er war ein vierschrötiger Mann, dem sie bei anderer Gelegenheit nicht sonderlich vertraut hätte, aber da er für seine Dienste gut bezahlt wurde,würde er tun, was man ihm befohlen hatte. Deshalb wiegte sie sich in Sicherheit. Sie blieb fast zwanzig Stunden auf ihrem Lager niedergestreckt, wobei ihr traumloser Schlaf eher einer Ohnmacht glich.
    Als sie erwachte, fühlte sie sich im ersten Moment ungewöhnlich frisch und vergnügt. Doch dann senkte sich der Morgen wie ein Schatten über sie. Die Ereignisse forderten ihren Tribut: Heute war die Beerdigung von Martha, und zur selben Zeit lief irgendwo in dieser Stadt ein Mörder herum, der für die Tragödie zweier Familien verantwortlich war. Bevor Christiane jedoch über ihr eigenes Schicksal in Selbstmitleid zu versinken drohte, begann sie mit den alltäglichen Handgriffen und dem, was an diesem Tag von ihr erwartet wurde.
    Dabei wanderten ihre Gedanken immer wieder zu ihrem Gespräch mit Pater Ehlert. Die Geschichte, die ihr der Jesuit aufgetischt hatte, erschien ihr im Licht des neuen Tages recht unglaubwürdig. Auch wenn es kaum möglich schien, dass Sebastian auf seinem Totenbett gelogen hatte, so war es unvorstellbar, dass Georg Imhoff diesen alten Freund dermaßen ausgenutzt haben sollte. Aus Rache dafür, dass er sich mit einer Hure eingelassen hatte, welche die Französische Krankheit in sich trug. Vielleicht hatte Sebastian übertrieben, war bereits in einer Bewusstlosigkeit gefangen gewesen, die seine Erinnerungen getrübt hatte. Außerdem klärte die Behauptung, er habe Imhoffs Bücher geschrieben, nicht die Sache mit den Fälschungen auf. Es sei denn, Sebastian sei nicht nur schwach, sondern auch schwachsinnig gewesen. Doch sie mochte nicht glauben, dass ihr kluger Freund und Mentor so leicht zu lenken gewesen war.
    Das Gespräch mit ihrem Vater tauchte aus einem vergessenen Winkel ihrer Erinnerung wieder auf. Severin Meitinger war demnach in erster Ehe mit Georg Imhoffs Schwester verheiratet gewesen. Das war an sich nicht ungewöhnlich.Warum sollten enge freundschaftliche und berufliche Bande nicht durch eine verwandtschaftliche Beziehung gefestigt werden? Die Familien der Handelshäuser heirateten nur nach diesem Prinzip. Christiane konnte es sich selbst nicht erklären, was sie an der ersten Ehe ihres Mannes störte, aber sie wurde ein ungutes Gefühl nicht los. Allein die Tatsache, dass ihr niemand davon erzählt hatte, berührte sie unangenehm. Andererseits hatte sie natürlich nie gefragt ...
    Und wo war Titus Meitinger? Christiane glaubte nicht, dass er wieder auf Reisen gegangen war. So viel Kraft besaß der alte Mann nicht. Vielleicht hatte er den Verstand verloren, was angesichts der Umstände nicht von der Hand zu weisen war. Sie selbst hatte ja kurz davor gestanden, verrückt zu werden. Allerdings hoffte sie, dass er sich wenigstens noch daran erinnerte, warum er das Mönchsgewand eines Pilgers in seiner Kammer versteckte.
    Sobald sie Martha begraben hatte, würde sie nach ihm suchen. Doch wo anfangen in einer so großen Stadt wie Augsburg, durch deren Straßen derzeit Legionen von Fremden pilgerten? Christiane beschloss, zuerst im Heilig-Geist-Spital nach ihrem Schwäher zu fragen. In dem Klostergebäude bei St. Margareth wurden seit Jahrhunderten Alte und Kranke versorgt. Es war nicht ausgeschlossen, dass sich Titus dort befand.
    Und es gab noch etwas, das sie nach der Trauerfeier tun würde: Sie wollte Wolfgang Delius die Fälschungen für seinen Freund Ditmold übergeben. Wenn der Teufel schon danach suchte, wurde es Zeit, dass die Obrigkeit in den Besitz der Pamphlete gelangte. Ihr Wunsch, Sebastian Rehms Ruf zu schützen, war ebenso unwichtig geworden

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