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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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wie die Rettung der Druckerei Meitinger. Beides würde sie nicht aufrechterhalten können, und damit gab es keinen Grund mehr zu schweigen.
    Während Christiane ihr Haar unter der Witwenhaube richtete, fragte sie sich, wie ihr eigenes Leben wohl weitergehen könnte. Zweifellos würde sie ihr Heim verlassen müssen, sobald die Schuldeneintreiber den Soll einforderten. Ihr Vater würde sie und den kleinen Johannes wieder in ihrem Elternhaus aufnehmen müssen – und sich wahrscheinlich auf dem schnellsten Wege nach einem neuen Ehemann für sie umsehen. Einen so großzügigen Gatten wie Severin Meitinger würde er gewiss nicht noch einmal finden, zumal sie keine Jungfrau mehr war und die Tragödie auch sonst sicher nicht mit völlig unbeschädigtem Ruf überleben würde.
    Und der kleine Johannes? Sebastians Sohn würde von Hans Walser streng katholisch erzogen werden und über kurz oder lang in einem Kloster aufwachsen, wie es sich für einen Waisen ohne jedes Erbe gehörte. Wenn Christiane noch etwas für Marthas Kind tun konnte, dann war es einzig eine Spende, die durch den Verkauf ihrer Perlen in den Besitz des Ordens gelangen und Johannes’ Position als Novize verbessern würde, ihm zumindest ein Universitätsstudium sicherte. Georg Imhoff fiel ihr wieder ein, und dass er eine moralische Verpflichtung gegenüber dem Buben trug, wenn die Geschichte von Pater Ehlert stimmte. Wenn es sich denn so zugetragen haben sollte ...
    Christiane schlug die Hände vor ihr Gesicht und konnte die Tränen nicht aufhalten.
    Wieder stand sie an einem offenen Grab und nahm die Beileidsbekundungen der Trauergäste entgegen. Im Unterschied zu Severins Beisetzung stand diesmal nicht der alte Titus, sondern der Stadtbrunnenmeister neben ihr, und die Gemeinde war überschaubar. Einige traditionsbewusste Nachbarinnen hatten sich eingefunden, die wohl mehr aus Selbstverständlichkeit als aus aufrichtiger Anteilnahme dem Sarg gefolgtwaren, Neugierige ebenso, die vielleicht eine Sensation erwarteten und hofften, des Teufels ansichtig zu werden. Zu Christianes stiller Freude war Wolfgang Delius an der Seite von Bernhard Ditmold gekommen, Pater Ehlert gab Martha das letzte Geleit und – wie nicht anders zu erwarten – Georg Imhoff.
    »Ihr seht aus, als sollte ich dringend etwas für Euch tun«, erklärte der Dichter teilnahmsvoll. Nachdem er Erde und Weihrauch über die in die Gruft hinabgesenkte Totenlade verstreut hatte, ergriff er Christianes eiskalte Hände. »Es geht Euch nicht gut, nicht wahr?«
    »Welchen Eindruck habt Ihr erwartet? Ich habe gerade meine liebe Cousine und beste Freundin beerdigt«, erinnerte sie ihn matt, sich durchaus ihres erbärmlichen Zustandes bewusst.
    Er hielt ihre Finger länger als schicklich umschlossen. »Ich bin sicher, Eure Trauer um Martha Rehm ist größer als die um ...«, mit einem vielsagenden Seitenblick auf Hans Walser brach er ab. »Auch ich bin untröstlich«, fügte er in einem Ton hinzu, der so leise war, als gelte er nur seinen eigenen Gefühlen.
    »Wir müssen mit unserem Schicksal leben«, erwiderte sie und entzog ihm sanft ihre Hand.
    »Ja. In der Tat.« Er schenkte ihr ein trauriges Lächeln. Dann neigte er sich näher zu ihr, so dass kein anderer Trauergast im Vorbeimarsch hören konnte, was nur für Christianes Ohren bestimmt war: »Ich möchte Euch danken für die Warnung, die Ihr mir zugestellt habt. Es war sehr freundlich von Euch, mich auf die Gefahr hinzuweisen, in der meine Person schwebt ... Möglicherweise schwebt, denn wie Ihr gerade sagtet: Wir können an Gottes Wille nichts ändern.«
    »Nun, ein wenig Vorsicht hat noch niemandem geschadet.«
    »Sicher, sicher. Allerdings ist es eine wundervolle Vorstellung, Euch als meinen Schutzengel zu sehen. Ich möchte micherkenntlich zeigen und meinerseits etwas Gutes tun ...«, er brach ab, was seinen Worten ein wenig mehr Gewicht verlieh, sie schwangen bedeutungsvoll nach.
    Christiane hielt den Atem an. Bedeutete seine Äußerung, dass Imhoff das schlechte Gewissen plagte? Er meinte sicher nichts anderes, als dass er den kleinen Johannes zu unterstützen gedachte, was ihm sicher möglich war, auch wenn sein Besitz bereits der Kirche gehörte. Erleichterung durchströmte ihren Körper.
    »Ihr braucht ein wenig Abwechslung«, sagte Imhoff in Christianes hoffnungsfrohe Gedanken.
    Ihr Herz sank. »Ich weiß nicht ...«, murmelte sie, denn eigentlich verlangte sie mehr nach Ruhe und Frieden als nach einem aufregenden Zeitvertreib.
    »Lasst

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