Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
Vom Netzwerk:
sie an den Kuss, und tiefe Röte überzog ihre Wangen. Es war nicht nur die Scham, Zärtlichkeiten mit einem Fremden ausgetauscht zu haben, sondern auchZorn auf Wolfgang, der seinem Freund wohl davon berichtet hatte. Männer redeten über ihre Eroberungen, das wusste sie, aber taten sie das nicht nur bei Freudenmädchen?
    Tränen der Wut und der Enttäuschung traten in Christianes Augen. Sie drehte den Kopf. Es wirkte, als wollte sie ihre tiefe Trauer verbergen. Tatsächlich konnte sie den Anblick von Bernhard Ditmold und Wolfgang Delius nicht mehr ertragen.

41
    Es war wie eine Wiederholung ihres Alptraums: Ein Poltern hallte durch die Dunkelheit, dann ein Krachen und ein Scharren. Doch diesmal wurde Christiane nicht aus einem Schlummer gerissen. Sie stand an Meitingers Pult in der Schreibstube, wo sie im Licht eines mehrflammigen Kerzenleuchters eine Bestandsaufnahme ihres Vermögens machte. Alarmiert horchte sie auf, nachdem sie den geschätzten Wert jedes einzelnen Schmuckstücks, des Leinenzeugs und einiger Möbel zu addieren versucht hatte. Und obwohl der Söldner vor dem Tor wachte und sie nicht den Teufel fürchten musste, erschrak sie so sehr, dass die Feder aus ihrer Hand glitt.
    Seit Stunden schon befasste sie sich intensiv mit ihrer finanziellen Zukunft und der des Kindes. Nach dem Leichenschmaus für Martha, der in bedrückender Atmosphäre schnell zu Ende gegangen war, hatte sie sich zunächst mit dem kleinen Johannes beschäftigt. Sie setzte ihn auf das Schaukelpferd, das sie angeschafft hatte, als sie noch davon ausgegangen war, die Ehefrau eines wohlhabenden Druckerverlegers zu sein. Als der Bub müde geworden war, hatte sie sich mit einem Buch in die Schreibstube gesetzt, doch ihre Gedanken wanderten ziellos umher, auf die Lektüre konnte sie sich nicht konzentrieren. Deshalb hatte sie kurzerhand beschlossen,etwas zu unternehmen, um ihre Lage besser zu beurteilen. An Schlaf war so bald ohnehin nicht zu denken.
    Die Geräusche erinnerten fatal an die der Nacht des Einbruchs. Der Unterschied bestand darin, dass nun auch Männerstimmen laut wurden, einer Salve unverständlicher Flüche folgte ein dumpfer Schrei. Es klang, als leide jemand Qualen, würde gefoltert oder zumindest geschlagen.
    Christiane umfasste mit beiden Händen das Schreibpult, bis ihre Knöchel weiß hervortraten. Sie hielt die Luft an, lauschte. Doch ebenso unvermittelt, wie der Lärm sie aufgeschreckt hatte, verhallte er wieder. Auf der Gasse war Ruhe eingekehrt.
    Doch sie irrte. Einen Atemzug später hämmerten Fäuste gegen das Tor.
    Sie wollte nicht hinunter zur Tür gehen. Was sollte sie tun, wenn der Söldner überwältigt worden war und der Teufel oder ein anderer Räuber Einlass begehrte? Das wäre immerhin möglich, obwohl ihr Schutzengel bis an die Zähne bewaffnet war und Christiane selbst sich beim Betreten ihres Hauses von der Hakenbüchse bedroht gefühlt hatte, die ihr Leibwächter lässig über die Schulter schwang ...
    »Meitingerin, öffnet! Es will Euch jemand sprechen.«
    Sie rührte sich nicht. Die Stimme hatte wie die des Mannes geklungen, den Bernhard Ditmold zu ihrem Schutz beordert hatte. Dennoch konnte sie die Furcht nicht abschütteln. Niemand konnte erwarten, dass sie am späten Abend Besuch empfing. Unter anderen Umständen wäre sie bereits zu Bett gegangen ...
    »Herrin, ich bin’s – Karl, Euer Geselle«, sein Tonfall war schleppend, er hatte Schwierigkeiten, sich zu artikulieren, als sei ihm der Unterkiefer eingeschlagen worden. »Öffnet, ich bitte Euch.«
    Ihre Füße flogen die Treppe hinab. Sie konnte sich selbst nicht erklären, warum sie plötzlich Freude bei dem Gedankenempfand, dass Meitingers Geselle in die Werkstatt zurückkehren wollte. Ausgerechnet Karl, dem sie niemals über den Weg getraut hatte.
    Sie schob den Riegel zurück und riss das Tor auf.
    Im Schein einer Fackel erkannte sie, dass dem jungen Mann übel mitgespielt worden war. Blutige Schrammen zierten sein Gesicht, und sein linkes Auge schwoll zu, während sich ein veilchenblauer Fleck von der Braue zum Unterlid ausbreitete.
    Der Söldner hielt ihn am Kragen gepackt und schnürte dem Geschundenen dabei die Kehle zu. »Der hier wollte in die Werkstatt eindringen«, verkündete der Wachmann.
    »Er darf das. Es ist wirklich mein Geselle.«
    »Warum sagt er das nicht gleich?«, gab der Söldner zurück und ließ Karl los, der daraufhin Mühe hatte, sich auf den Beinen zu halten.
    Christiane streckte die Hand aus und nahm Karl

Weitere Kostenlose Bücher