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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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heraus, »was habt Ihr getan?«
    »Ich habe Martin Luther befreit«, versetzte Titus tonlos und senkte beschämt den Blick auf seine Hände.
    »Ihr habt ...«, Ditmold schluckte und hob noch einmal mit plötzlich heiserer Stimme an: »Wie könnt Ihr den Reformator in Freiheit entlassen haben? Woher kanntet Ihr den Doktor aus Wittenberg überhaupt?«
    Titus lächelte traurig. »Es war vor fast vierzig Jahren, wie gesagt ...«
    »Das Verhör durch Kardinal Cajetan und Luthers Flucht aus Augsburg«, flüsterte Delius. In Gedanken überschlug er das Alter von Severins Vater. Damals musste Titus ein junger Mann gewesen sein, aber immerhin ein Mann und kein Knabe. »Ward Ihr irgendwie in die Sache verwickelt, Meitinger?«
    »Er war eine beeindruckende Persönlichkeit. Deshalb ... und nur deshalb, denn ich folgte ganz gewiss nicht Luthers Thesen ... ließ ich mich auf einen Handel mit Johann von Staupitz ein, dem Beichtvater des Mönchs Martinus ... Damals im Karmeliterkloster, als es noch ein katholisches Konvent war. Wisst Ihr, dass dieser Ort heute so protestantisch ist wie die Lehren des Ketzers? Das Kloster gehört seit Jahren dem Rat, und in den Räumen ist heute eine Lateinschule untergebracht.«
    »Wir sind beide Protestanten, Meitinger«, erklärte Ditmold freundlich. »Unserem Glauben nach sollten wir Euch danken, dass Ihr unserem Religionsgründer eine Hilfe gewesen seid. Wir verurteilen nichts, was Ihr für Martin Luther getan habt – was auch immer es gewesen sei. Wenn Ihr ihm allerdings geschadet habt, solltet Ihr von nun an lieber schweigen.«
    »Ich habe meiner Kirche geschadet«, gab Titus bitter zurück,»nicht Eurer. Aus Scham und Bußfertigkeit bin ich sogar nach Santiago de Compostela gepilgert, aber Gott war nicht bereit, die Last der Schande von meiner Seele zu nehmen. Dabei war ich ein junger, verblendeter Mann, der nichts Übles, sondern nur das Leben eines klugen Menschen retten wollte, der sich mit der Heiligen Schrift auskannte. Bücher faszinierten mich schon damals. Ich hatte das Glück, im Scriptorium des Klosters arbeiten zu dürfen, dabei war ich nur Novize. Aber ich besaß eine schöne Handschrift und verstand mich aufs Kopieren. Deshalb begann ich eine Druckerlehre, nachdem ich das Kloster verlassen hatte. Meine Liebe zu Büchern war größer als die zu Gott, das ist meine schwerste Sünde.«
    Delius verlor allmählich die Geduld. »Ihr ward also an Luthers Flucht aus Augsburg damals beteiligt. Was ist so verwerflich daran, dass Georg Imhoff sein Wissen darum offenbar für eine gemeine Erpressung benutzen konnte?«
    »Es mag eine Menge Fürsten geben, die derzeit gerade im Fugger-Palast tagen und Euch einen Orden für Eure Tat verleihen würden«, sinnierte Ditmold, bevor Titus selbst nach einer Antwort suchen konnte. »Für Eure katholischen Freunde ist dies jedoch Verrat. Ihr habt den Rufmord gefürchtet, nicht wahr? Womöglich auch die Anzeige vor einem päpstlichen Gericht und die Exkommunikation, vielleicht hätte Euch die Inquisition sogar verurteilt. Euer Sohn wollte Euch und Euren Glauben schützen.«
    Titus nickte. »Das ist die Wahrheit, und Gott möge mir am Tage des Jüngsten Gerichts verzeihen. Als ich die Fälschungen in Conrad von Hallenslebens Händen sah, war mir klar, dass jemand meine Geschichte ganz gezielt auszunutzen verstand ... Oh, vielleicht wisst Ihr noch gar nicht ...«
    »Doch, doch«, beeilte sich der Assessor. »Das Manuskript mit dem Siegel der Druckerei Meitinger befindet sich in meinem Besitz.«
    »Nur der Teufel kann sich diese Pamphlete ausgedacht haben.«
    »Georg Imhoff hat die Texte bei Sebastian Rehm in Auftrag gegeben«, korrigierte Delius die abergläubische Meinung des Greises sachlich. »Es gibt sogar noch mehr als das, was von Hallensleben erhielt. Die Manuskripte befinden sich irgendwo in Eurem Haus, Meitinger. Ich vermute, im Weinkeller, und ich weiß, dass Christiane die Inhalte kennt«, ihr Vorname kam ihm ganz selbstverständlich über die Lippen. War dies der Grund, weshalb Ditmold ihn plötzlich bestürzt musterte? Er ignorierte den Blick seines Freundes und fügte fast trotzig hinzu: »Christiane versprach, mir die Fälschungen auszuhändigen, aber bislang kam es noch nicht dazu.«
    »Das Weib ist ebenso eigensinnig, wie mein Sohn es war, als er es zur Frau nahm«, kommentierte Titus die für ihn neue Information und kehrte damit zu seiner alten Rechthaberei zurück. »Was will sie mit dem Teufelswerk anfangen? Die Welt retten, das

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