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Die Hüterin des Evangeliums

Die Hüterin des Evangeliums

Titel: Die Hüterin des Evangeliums Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriela Galvani
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keusche Art in ihr bewegte. Zu allem Übel wusste er offenbar sehr genau, wie er eine Frau gefügig machen konnte. Christiane spürte, wie sich bislang unbekannte Saiten in ihren Schenkeln anspannten, deren Nervenenden sich zwischen ihren Beinen sammelten. Ihre Knie drohten nachzugeben.
    »Deine Lust ist so feucht wie eine Rose im Morgentau«, wisperte er überraschend zärtlich in ihr Ohr.
    Unwillkürlich entspannte sie sich ein wenig. Sie wollte es nicht ... Doch, sie wollte sie ... Es durfte nicht sein, aber ihr wurde schwarz vor Augen, und sie fühlte nur noch, was sie eigentlich nicht fühlen durfte ... wollte ... ersehnte ... Ihrer Kehle entrang sich ein tiefer, animalischer Seufzer.

Augsburg,
drei Wochen später
12
    Das energische Pochen an der Haustür schreckte Christiane auf. Im ersten Moment wusste sie nicht, wo sie sich befand. Sie spürte nur ihre steifen Glieder und einen stechenden Schmerz, der durch ihre Halswirbel fuhr, als sie sich zu bewegen versuchte. Danach erst kehrten ihre Gedanken langsam aus dem Traum in die Wirklichkeit zurück. Sie schlug die Augen auf und stellte fest, dass sie auf einem Stuhl in ihrer Stube saß und über der Stickarbeit eingenickt war.
    Seit geraumer Zeit schlief sie nachts schlecht. Genau genommen fand sie keine Ruhe mehr seit der Begegnung mit Georg Imhoff in Rehms verlassener Wohnung. Das Schlimmste daran war, dass sie nicht genau wusste, was sie tatsächlich getan hatte.
    Irgendetwas hatte mit ihrer Atmung nicht gestimmt. Sie hatte gestöhnt, die Luft angehalten, weil sie ihre Lust nicht hinausschreien wollte, während ihr Geliebter sein Werk zwischen ihren Beinen vollendete. Das Korsett hatte auf ihre Lungen gedrückt, und der Kopf drohte ihr zu zerbersten. Dann war sie in Ohnmacht gefallen. Und die Erinnerung war ausgelöscht.
    Der Geschmack von Salz auf ihren Lippen hatte sie wohl aus der Bewusstlosigkeit geweckt. Vielleicht waren es auch die Tränen, die unaufhörlich über ihre Wangen strömten. Christiane konnte nicht sagen, wann und warum sie plötzlich wieder bei Sinnen gewesen war. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, wie lange sie auf dem Dielenboden gelegen hatte. Allein – die Röcke hochgeschlagen. Hatte sich Georg Befriedigungverschafft, als sie nicht mehr spürte, was er tat? Die Frage hämmerte fast ununterbrochen in ihrem Hirn, doch sie wagte nicht, sie der einzigen Person zu stellen, die sie ihr hätte beantworten können.
    Als sie sich nach Hause geschleppt hatte und Martha sie fragte, wo sie denn so lange gewesen sei, behauptete sie, noch ein wenig über den Markt gebummelt zu sein. Selbst ihrer besten Freundin vertraute sie sich nicht an. Sie verbarg die Erinnerung an das, was geschehen war, in ihrem Innersten wie in einer Kassette, die sie verschloss und deren Schlüssel sie fortwarf. Die Sorge um das, wessen sie sich nicht entsinnen konnte, blieb jedoch gegenwärtig. Selbst ein ausgiebiges Bad hatte ihren Körper nicht zu reinigen vermocht – und ihre Gefühle nicht besänftigt. Denn da war die Wut auf den Mann, der sie genommen und dann einfach hatte liegen lassen wie eine Frucht, auf die er keinen Appetit mehr hatte. Er hatte sie benutzt und buchstäblich fallen lassen.
    Es erschien ihr eine glückliche Fügung, dass sie bei Georgs einzigem Besuch in Meitingers Druckerwerkstatt zufällig nicht zu Hause war. Sie hatte mit Martha und dem kleinen Johannes einen Ausflug zum Roten Tor gemacht, weil die Ausrufer berichteten, die zur Ergötzung der Bevölkerung im Stadtgraben ausgesetzten Hirsche hätten Nachwuchs bekommen. Die weißen Rosen, die der Dichter als Aufmerksamkeit für die Hausherrin auf der Kredenz in der Stube zurückgelassen hatte, dufteten so süß und stark, dass Christiane nach ihrer Rückkehr übel wurde. Unter Marthas erstauntem Blick warf sie die Blumen in den Abfall; Severin schien ihr Verhalten nicht zu kümmern.
    Sie schämte sich. Für das, was sie hatte geschehen lassen. Wegen ihres Mannes, der es nicht verdient hatte, von ihr hintergangen zu werden. Sie hatte geglaubt, dass Liebe und Leidenschaft Moral und himmlisches Recht beugen würden, underfahren, wie verlogen und flüchtig das eine wie das andere sein konnte.
    Es bedrückte sie, dass sich Severin von ihr zurückzog. Ahnte er etwas? Prahlte Imhoff etwa mit seiner Eroberung? Christiane versuchte, ihr schlechtes Gewissen zu besänftigen, indem sie ihrem Gemahl ungewöhnlich viel Aufmerksamkeit schenkte. Doch der schien sie nicht einmal wahrzunehmen. Severin

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