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Die Hüterin des Schattenbergs

Die Hüterin des Schattenbergs

Titel: Die Hüterin des Schattenbergs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Random House
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Höhle.
    Für einen kurzen A ugenblick hielt sie inne und lauschte. Nichts! Sie zögerte kurz, atmete tief durch und betrat die Höhle. Schlagartig kehrten die Geräusche zurück.
    Vor ihr lagen drei Menschen auf dem Boden. Sie stöhnten und krümmten sich wie unter Schmerzen. Der Geruch von Blut, der von ölig schimmernden Lachen auf dem Boden ausging, drang Jemina süßlich und unheilkündend in die Nase; alle drei waren schwer verletzt.
    Die Frau mittleren A lters zu ihrer Linken trug die schlichte hellbraune Gewandung einer Ziegenhirtin. Sie bemerkte Jeminas A nkunft als Erste. »Zu Hilfe! Oh, bitte hilf mir«, rief sie mit schmerzverzerrter Stimme. »Du Gütige, dich schicken die Götter. Schnell, beeile dich und hilf mir, ehe der letzte T ropfen Blut vergossen ist …« Bei dem W ehklagen der Frau drehte sich auch die V erletzte in der Mitte zu Jemina um.
    »Efta!« Jemina zog die Luft scharf durch die Zähne. W as um alles in der W elt tat Efta hier? A lles in ihr drängte sie, sofort zu der Hüterin zu laufen, aber sie unterdrückte den Impuls.
    »Jemina, mein Kind!«, hörte sie Efta mühsam hervorpressen. »Der Großen Mutter sei Dank, ich hatte die Hoffnung auf Rettung schon aufgegeben. Schnell, komm zu mir und binde meinen A rm ab, sonst verblute ich …«
    »Nein, hilf mir, Gütige!«, rief wieder die Frau zu Jeminas Linken mit flehender Stimme. »Ich habe zwei Kinder, die …«
    »Sie kommt zu mir!« A uch die tiefe männliche Stimme zu Jeminas Rechten war von Schmerz und Schwäche gezeichnet, dennoch schwang in ihr ein Unterton mit, der verriet, dass der Sprecher befehlsgewohnt und selbstsicher war. Jemina drehte sich um und erstarrte in Ehrfurcht. Der Mann, der dort in seinem Blut auf dem Boden lag, trug die moosgrüne, mit silbernen Borten verzierte A mtsrobe eines hochrangigen Magiers.
    »Ich bin Corneus, oberster Magier, Herrscher über Selketien und ein direkter Nachfahre des großen Heilsbringers Orekh. Du wirst meine W unde zuerst versorgen«, sagte er auf eine W eise, die keine W iderrede zuließ. »Das Land braucht mich. Du darfst mich nicht sterben lassen. «
    »Hör nicht auf ihn. Mich darfst du nicht sterben lassen!«, flehte Efta. »Ich habe alles für dich getan, dich geliebt und umsorgt. Hör auf dein Herz.«
    Die Frau zu ihrer Linken stöhnte leise.
    Jemina zögerte. Hinter ihrer Stirn überschlugen sich die Gedanken, als sie das Für und W ider ihres möglichen Handelns abwog. Die drei Menschen in der Höhle waren gleich schwer verletzt. Jeder von ihnen war dem T ode nahe. W ie der Magier wiesen auch die beiden Frauen einen tiefen Schnitt an den Handgelenken auf, aus dem das Blut ungehindert in einem pulsierenden Strom herausfloss.
    Jemina wusste, dass sie nicht alle drei würde retten können. W ie sie sich auch entschied, für den Letzten musste jede Hilfe zu spät kommen. A ber mit wem sollte sie beginnen? Ihr Herz schlug für Efta, die ihr am nächsten stand. A uf keinen Fall wollte sie Efta verlieren. Ihr V erstand aber riet ihr dazu, zuerst Corneus zu Hilfe zu eilen. Er war der Herrscher des Landes: A lle verehrten ihn. Ihn zu verlieren, würde das ganze Land in tiefe T rauer stürzen.
    Die Frau zu ihrer Linken schien am schwächsten zu sein, aber sie war eine gewöhnliche Ziegenhirtin, wie es T ausende in Selketien gab. Um sie würde höchstens eine Handvoll Menschen trauern. Ihre A rbeit konnte auch ein anderer ausführen.
    Und dennoch …
    Jemina überlegte nicht länger. Ohne auf das W ehklagen der anderen einzugehen, die verzweifelt versuchten, sie umzustimmen, stellte sie ihre Fackel an die W and, kniete sich neben der Frau nieder und sagte: »Hab keine Furcht. Ich helfe dir!«
    Kaum hatte sie das gesagt, verschwamm die Gestalt der Frau und zerfloss zu einem leuchtenden violetten Schimmer, aus dem sich die Gestalt eines Nerbuks formte.
    Warum sie?
    Wieder hörte Jemina die W orte nur in Gedanken, antwortete aber wie selbstverständlich laut und ohne zu zögern: »Weil Orekh uns gelehrt hat, dass kein Leben wertvoller ist als ein anderes. In den A ugen unseres Heilbringers sind alle gleich, ob Ziegenhirtin oder Magier. Seine W eisheit ist es, der ich folge. Die Ziegenhirtin war die schwächste von allen. Ihr musste ich zuerst helfen, ganz gleich, was mein Herz oder mein V erstand mir sagten.« Sie schaute den Nerbuk an, dessen nebelhaftes A ntlitz so ausdruckslos wie immer war. Nichts deutete darauf hin, ob sie richtig gehandelt hatte. Statt etwas zu sagen, begann seine

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