Die Hüterin des Schattenbergs
einigen kurzen Lobesworten beendete.
»Ich habe nun die Ehre, die neuen Hüter von Selketien zu einem bescheidenen Gastmahl einzuladen«, wandte Ulves sich an Jemina und die neun Halbwüchsigen, als die Menge sich zu zerstreuen begann. »Folgt mir!«
Er führte sie an den Ratsmitgliedern vorbei, die in kleinen Gruppen beisammen standen. Unter ihnen war auch Corneus. Jemina fröstelte, als sie den stechenden Blick bemerkte, mit dem der Meistermagier sie beobachtete. Haltsuchend umfasste sie Riks A rm.
»Was ist?« Rik sah sie verwundert an.
»Corneus schaut mich so seltsam an.« Jemina warf verstohlen einen Blick über die Schulter und sah, das Corneus ihr hinterher blickte. »Ob er etwas bemerkt hat?«
»Unsinn.« Rik nahm Jeminas Hand und hielt sie fest. »Mach dir keine Sorgen, der ahnt nichts.«
9
W enig später fanden sich Rik und Jemina an der langen T afel im Festsaal wieder. Das »bescheidene Gastmahl« hatte sich als opulentes Festessen aus erlesenen Speisen herausgestellt, von denen Rik oft nicht einmal den Namen kannte. Zuerst hatte er mit dem Zugreifen gezögert, dann aber festgestellt, dass alles so köstlich schmeckte, wie es aussah, und nun war er so satt wie noch nie in seinem Leben. Bei den Getränken hingegen war er zurückhaltend geblieben. W ährend die Magier kräftig dem W ein zusprachen, der an diesem A bend aus einer unerschöpflichen Quelle zu fließen schien, blieb sein Pokal stets nur mit frischem Quellwasser gefüllt. W ein schmeckte ihm nicht und er wollte einen klaren Kopf bewahren. Der A bend war noch lang und es war nicht abzusehen, was noch geschehen würde.
Corneus hatte sich von seinem Platz erhoben und Jemina zu sich gerufen. A ufrecht stand sie neben dem Meistermagier und schilderte mit fester Stimme den versammelten Magiern, wie ihre Begegnung mit Orekh verlaufen war. W ie sie das Buch des Lebens gefunden hatte, erwähnte sie nur mit knappen W orten. A ls ein Ratsmitglied nachfragte, antwortete Jemina, dass es in der Hohen Feste tatsächlich magische Geschöpfe gäbe und dass diese ihr bei der Suche nach dem Buch des Lebens geholfen hätten.
Die Magier lauschten Jeminas W orten gebannt, und viele Eleven schienen T rost zu finden, als sie hörten, wie gut es den verstorbenen Hütern in der W elt der T oten erging. Rik konnte an ihren Gesichtern erkennen, dass die A nspannung der vergangenen T age allmählich von ihnen abfiel und beneidete sie um ihre Unwissenheit. Er selbst fand keine Ruhe.
Jordi hatte ihm erzählt, dass Elaries Corneus am Nachmittag zur Rede gestellt hatte, weil dieser Jordi hatte töten wollen. Corneus hatte nicht einmal versucht, irgendetwas abzustreiten und den Schritt damit gerechtfertigt, dass die V ernichtung der Schatten durch den T od eines Eleven viel schneller und vor allem sicherer hätte vollzogen werden können. Die Nachricht von Jeminas T od hätte ihn darin bestärkt, schnell und ohne Rücksicht auf einzelne Personen zu handeln.
Angesichts der überraschenden W endung, die am V ormittag durch Jeminas Rückkehr eingetreten war, hatte Corneus sich Elaries gegenüber zwar einsichtig gezeigt, sich aber mit keinem W ort entschuldigt. Elaries hatte sich offenbar damit zufriedengegeben und Corneus lediglich gebeten, den neuen Hütern künftig die Ehre zu erweisen, die ihnen gebührte. Damit war die Sache für ihn erledigt.
Für Jordi hingegen war nichts erledigt. Obwohl Corneus sich ihm gegenüber so freundlich und zuvorkommend verhielt, als hätte es Jordis Gefangenschaft im Keller und Salvias’ heimtückische Mordversuche nie gegeben, konnte er das, was er erlebt hatte, nicht vergessen. »Corneus und ich werden in diesem Leben keine Freunde mehr, so viel ist sicher«, hatte Jordi am Nachmittag zu Rik gesagt.
Riks Blick streifte Corneus und er bemerkte, dass der Meistermagier ihn anstarrte. Schnell wandte er den Blick ab. Noch nie hatte er einem Menschen so misstraut wie Corneus, noch nie so viel A bneigung für jemanden empfunden.
»Nun, mein Sohn, wie fühlst du dich?« Rik spürte eine Hand auf seiner Schulter, drehte sich um und schaute in das freundlich lächelnde Gesicht von Elaries.
»Gut.« Rik gelang ein Lächeln, obwohl er log.
»Das will ich doch hoffen. Ihr seid jetzt Hüter des Neunten Zirkels und steht unter dem persönlichen Schutz des Rates.« Elaries senkte die Stimme gerade so weit, dass nur Rik ihn hören konnte. »Corneus wird es nicht mehr wagen, einem von euch ein Leid anzutun.«
»Mögen die Götter geben, dass es
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