Die Hüterin des Schattenbergs
Ziegenmilch trinkt … Corneus grinste schadenfroh. Die Phiole in seiner T asche war noch nicht leer.
Wenig später waren alle Gläser verteilt. Corneus stellte das T ablett ab, nahm sein eigenes Glas zur Hand und wollte gerade einen T rinkspruch ausbringen, als Otis ihm das gut gefüllte Glas reichte. »Hier!«, sagte er lachend. »Nimm das volle Glas. Du musst nicht immer so bescheiden sein.«
Corneus starrte das Glas an. »Du hast wie immer recht Otis, mein Freund«, sagte er mit einem dünnen Lächeln. »Elaries wird den W ein morgen ohnehin nicht mehr trinken können. W arum ihn also verkommen lassen?« Er stellte sein eigenes Glas auf den T isch und griff nach dem vollen W einglas. Dabei stellte er sich absichtlich so ungeschickt an, dass er Otis das Glas aus der Hand schlug. Klirrend fiel es zu Boden und hinterließ dort einen hässlichen blauroten W einfleck.
»Oh nein!« Corneus senkte den Blick. »Wie ungeschickt von mir.« Er winkte einen Pagen herbei, damit dieser die Scherben und den W ein beseitigte. Dann griff er wieder nach dem halb gefüllten Glas, hielt es lachend in die Höhe und scherzte: »Aber ich habe ja noch dieses hier.«
In das Lachen der anderen hinein sagte er: »Nun lasst uns gemeinsam die Gläser erheben und auf das W ohl der neuen Hüter trinken, ehe noch etwas zu Bruch geht. Mögen sie Selketien noch lange vor allem Unheil schützen.«
Er setzte sein Glas an die Lippen und beobachtete zufrieden, wie alle es ihm gleich taten. A ngetrunken wie sie waren, stürzten die meisten den W ein in einem Zug herunter. Corneus sah es mit Genugtuung und wartete.
Es dauert nur wenige Herzschläge, bis sich auf den Gesichtern der Magier eine erste Regung zeigte: Ein leichtes Zusammenzucken, ein erstaunter Blick, ein kurzer Moment der V erwirrung und ein Zusammenpressen der A ugen, wie unter einem plötzlich auftretenden Schmerz, dann ein A usatmen, verwirrtes Blinzeln und am Ende ein zufriedener Gesichtsausdruck. In rascher Folge durchliefen alle, die von dem W ein getrunken hatten, genau denselben W andel, den Corneus schon bei seinen Probanden beobachtet hatte, während die Magie in ihren Seelen wütete und alles Böse innerhalb von wenigen W imperschlägen unwiederbringlich vernichtete.
Corneus’ Blick streifte Ulves, der mit einem anerkennenden Lächeln auf den Lippen neben ihm saß. »Ein wirklich köstlicher W ein«, sagte der Zeremonienmeister, als wäre nichts geschehen.
»Die W eine des A tacam waren schon immer für ihre besondere W irkung berühmt.« Corneus nickte und fügte mit einem Blick auf die zufriedenen Gesichter der trunkenen Magier hinzu: »Das war fast schon zu einfach.«
»Noch hast du sie nicht alle erwischt«, gab Ulves zu bedenken. »Elaries besitzt seine dunkle Seite noch und kann dir immer noch gefährlich werden.«
»Elaries ist ein alter Mann.« Corneus schnaubte verächtlich. »Morgen bei Sonnenaufgang wenn er arglos seine Ziegenmilch trinkt, wird auch er die Macht meines Zaubers zu spüren bekommen. Nichts und niemand wird mich dann noch aufhalten können.«
10
R ik, der sich hinter einem schweren V orhang nahe Ulves’ und Corneus’ Platz versteckt hielt, horchte auf. Obwohl Corneus leise sprach, hatte er jedes W ort verstanden. W as er hörte, gefiel ihm gar nicht, aber es passte zu dem, was er zuvor in der Kammer beobachtet hatte.
Gemeinsam mit Jemina und Jordi hatte Rik sich als einer der letzten Eleven von dem Fest verabschiedet. Kurz vor dem Schlafraum hatte er Jordi dann aber gesagt, dass er sich zum Schlafen doch nicht müde genug fühle, und behauptet, er wolle noch ein wenig mit den Magiern feiern. Jordi war überrascht gewesen, hatte aber genickt und gegähnt und war allein in das Zimmer gegangen.
Rik hatte sich unauffällig zurückgeschlichen. A ls er den Festsaal fast erreicht hatte, hatte er Corneus erblickt, der verstohlen in einem Nebenraum verschwand. Rik war neugierig geworden und ihm gefolgt. Unbemerkt hatte er einen Blick in die kleine Kammer geworfen und Corneus dabei beobachtet, wie er W ein in Gläser füllte. Das allein war schon ungewöhnlich, aber Rik war sich sicher, dass Corneus noch etwas anderes in die Gläser getan hatte – etwas, das aus einem kleinen Fläschchen stammte, das er in der Hand gehalten hatte.
Bevor Corneus ihn entdecken konnte, hatte Rik die T ür leise wieder geschlossen und sich hinter einem der bodenlangen V orhänge versteckt, die die W ände nahe der T afel der Ratsmitglieder schmückten.
Von dort aus
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