Die Hüterin des Schattenbergs
retten.«
»Mögen die Götter dir wohlgesonnen sein.« Ulves blinzelte gegen die Sonne an.
»Mir? Du bist zu bescheiden, mein Freund, es müsste heißen: Mögen die Götter uns wohlgesonnen sein.« Corneus schickte sich an, die Plattform zu verlassen. »Trotzdem: Es gefällt mir gar nicht, zum W arten verdammt zu sein.«
Ulves nickte. »Das kann ich gut verstehen, mein Freund, aber ich fürchte, in diesem Fall bleibt uns nichts anderes übrig.«
»Wir sollten die Säule mit Orekhs Schattenmagie dabei aber unbedingt im A uge behalten«, meine Corneus. »Ich war gestern A bend noch dort. Die grüne Farbe hat bereits an Leuchtkraft verloren, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Magie schwindet. Zwar spürt das auch Pretonias am Schattenberg, aber ich verlasse mich höchst ungern auf die A ussagen Dritter.«
Der kraftvolle Flügelschlag hielt so lange an, bis der Drache einen A ufwind gefunden hatte, der stark genug war, ihn zu tragen. In weiten Kreisen gleitend gewann er nun rasch an Höhe. Jeminas Muskeln waren völlig verkrampft. A ls Salvias ihre Hände berührte, sich so gut es ging zu ihr umdrehte und ihr zurief: »Du kannst loslassen! Das Schlimmste ist vorbei!«, kam sie der A ufforderung zögernd nach. Sie versuchte, eine entspanntere Haltung einzunehmen und wartete darauf, dass A tem und Herzschlag wieder in ihren gewohnten Rhythmus zurückfanden.
Ich fliege, dachte sie bei sich. Ich fliege wirklich auf einem Schwertdrachen . Hätte ihr jemand am Morgen erzählt, was sie am Nachmittag erleben würden, sie hätte ihn ausgelacht und für verrückt erklärt. Blinzelnd öffnete sie die A ugen und wagte einen vorsichtigen Blick über die Schulter des Drachenreiters hinweg.
Vor ihnen erstreckte sich ein strahlend blauer Himmel, so weit das A uge reichte, nur hin und wieder unterbrochen von ein paar schwarzen Punkten: V ögel, die eilig ihren W eg kreuzten. Jemina wusste, dass sie nach unten schauen musste, um wirklich ermessen zu können, was es bedeutete zu fliegen. A ber sie wagte es nicht. W ährend der Drache gelassen seine Kreise über der Feste der Magier zog und weiter an Höhe gewann, vermied sie jede Bewegung, die dazu führen konnte, dass sie unfreiwillig einen Blick in die T iefe warf.
Einmal tauchte das Drachenmännchen in ihrem Blickfeld auf. Es schien weniger Probleme mit dem Start gehabt zu haben. Der rotbraune Drache kreiste einige Mannslängen über ihnen, weit genug entfernt, dass die langen Flügel der Drachen sich nicht berühren konnten, aber immer noch nah genug, dass Jemina Rik auf seinem Rücken erkennen konnte.
Als Rik seinerseits Jemina entdeckte, winkte er ihr zu, beugte sich zur Seite und deutete nach unten, als wollte er sie auffordern, es ihm gleich zu tun. Offenbar hatte er mit der Höhe keine Probleme.
»Niemals.« Jemina presste die Lippen fest aufeinander und starrte weiter stur geradeaus. Inzwischen war sie froh über die warme Kleidung, die Corneus ihr gegeben hatte, denn obwohl sie noch nicht allzu weit aufgestiegen sein konnten, spürte sie bereits die Kälte des Flugwinds an den W angen.
Es war die Neugier, die sie schließlich doch dazu bewog, einen Blick nach unten zu wagen. Nur einen ganz kleinen, wie sie sich selbst versicherte. A us den A ugenwinkeln sah sie grünes Land unter sich; Bäume in ihrem Frühlingskleid, W iesen, aber auch Felder, deren braune Farbe davon kündeten, dass sie noch unbestellt waren und solche, auf denen schon zartes Grün spross. A ll das fügte sich zu einem unregelmäßigen Flickenteppich zusammen, auf dem einzelne Gehöfte wie dunkle Perlen saßen. Jemina war begeistert. Obwohl sie sich immer noch vor der großen Höhe fürchtete, wagte sie einen zweiten Blick nach unten auf die ausgedehnte Festungsanlage der Magier. Im Süden erkannte sie das winzig kleine Dorf und den Fluss, auf dem sie gefahren waren. Irgendwo dazwischen musste sich die Hütte befinden, in der Rik mit Galdez gewohnt hatte. Im Norden reckten sich die schneebedeckten Gipfel des A tacamgebirges wie eine Dornenreihe dem Himmel entgegen. Jemina wünschte, sie würden näher heranfliegen, aber die Hohe Feste lag weit im Osten, und so führte sie der Flug von dem gewaltigen Gebirgsmassiv fort.
Als Jemina wieder in die T iefe schaute, entdeckte sie etwas Seltsames. Nicht weit von der Feste der Magier entfernt sah sie zwei große Rechtecke, die von einem hohen Zaun begrenzt wurden. A m südlichen Ende des einen Rechtecks stand ein Stallgebäude. A uf der weitläufig
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