Die Huette
die er durchgemacht hat, ermöglicht dies. Vergebung bedeutet in keiner Weise, dass du denen vertrauen sollst, denen du vergibst. Wenn sie aber endlich ihre Taten bekennen und bereuen, wirst du in deinem Herzen ein Wunder entdecken, das es dir ermöglicht, zwischen euch eine Brücke der Versöhnung zu bauen. Und manchmal - und das wird dir jetzt noch undenkbar erscheinen - kann diese Brücke dich sogar zu einer völligen Wiederherstellung des Vertrauens führen.«
Mack ließ sich auf den Boden gleiten und lehnte sich mit dem Rücken gegen den Stein, auf dem er zuvor gesessen hatte. Er betrachtete die Erdklumpen zu seinen Füßen. »Papa, ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Aber es fühlt sich für mich immer noch so an, als würde dieser Verbrecher ungeschoren davonkommen, wenn ich ihm ergebe. Wie kann ich entschuldigen, was er getan hat? Ist es denn fair Missy gegenüber, wenn ich aufhöre, wütend auf ihn zu sein und ihn zu verurteilen?«
»Mackenzie, Vergebung entschuldigt überhaupt nichts. Glaube mir, dieser Mann ist wirklich alles andere als frei. Und es ist nicht deine Aufgabe, ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Darum werde ich mich kümmern. Und was Missy angeht: Sie hat ihm schon vergeben.«
»Das hat sie?« Mack blickte noch nicht einmal auf. »Wie konnte sie das?«
»Wegen meiner Gegenwart in ihr. Nur dadurch ist wahre Vergebung überhaupt möglich.«
Mack spürte, wie Papa sich neben ihn auf den Boden setzte, blickte aber noch immer nicht auf. Als Papa ihm sanft den Arm um die Schultern legte, fing er an zu weinen. »Lass es alles heraus«, hörte er Papa flüstern, und endlich konnte er genau das tun. Er schloss die Augen, und die Tränen flossen in Strömen. Wieder überfluteten die Erinnerungen an Missy sein Bewusstsein - Visionen von Malbüchern, Buntstiften und zerrissenen, blutigen Kleidchen. Er weinte, bis er alle Dunkelheit aus sich herausgeschluchzt hatte, alle Sehnsucht und alle Trauer, bis nichts mehr davon übrig war.
Er schwankte vor und zurück und flehte: »Hilf mir, Papa. Hilf mir!
Was soll ich tun? Wie kann ich ihm vergeben?« »Sag es ihm.«
Mack blickte auf. Halb erwartete er, einen Mann vor sich stehen zu sehen, dem er noch nie begegnet war, aber da war niemand.
»Wie, Papa?«
»Sprich es einfach laut aus. In dem, was meine Kinder verkünden, liegt eine große Kraft.«
Mack flüsterte, zunächst halbherzig und stotternd, aber dann mit wachsender Überzeugung: »Ich vergebe dir. Ich vergebe dir. Ich vergebe dir.«
Papa drückte ihn an sich. »Mackenzie, ich bin so stolz auf dich. Es ist wirklich eine Freude!«
Als Mack schließlich seine Fassung wiedergewonnen hatte, gab ihm Papa ein feuchtes Handtuch, mit dem er sich das Gesicht abwischen konnte. Dann stand Mack auf, zunächst noch etwas unsicher auf den Beinen.
»Wahnsinn!«, sagte er heiser, nach Worten suchend, mit denen er die emotionale Reise beschreiben konnte, die er soeben durchgemacht hatte. Er fühlte sich sehr lebendig. Er gab Papa das Handtuch zurück und fragte: »Ist es denn in Ordnung, wenn ich immer noch wütend bin?«
Papa antwortete: »Absolut! Was dieser Mann getan hat, ist entsetzlich. Er hat vielen Menschen unglaubliches Leid zugefügt. Sein Handeln war durch und durch falsch, und Wut ist die richtige Reaktion auf etwas derartig Falsches. Aber Wut, Schmerz und Trauer sollten dich nicht davon abhalten, ihm zu vergeben und deine Hände von seiner Kehle zu nehmen.«
Papa schulterte seinen Rucksack. »Sohn, am ersten Tag musst du deine Vergebung vielleicht hundertmal erklären, und auch noch am zweiten Tag. Aber am dritten Tag wird es schon weniger oft nötig sein, und dann von Tag zu Tag immer weniger, bis du eines Tages spürst, dass du vollständig vergeben hast. Und dann wirst du eines Tages für die Heilung dieses Menschen beten und ihn mir übergeben, auf dass meine Liebe jede Spur von Verderbnis aus seinem Leben tilgt. Das mag dir jetzt noch unvorstellbar erscheinen, aber es ist gut möglich, dass du diesen Mann eines Tages in einem anderen Zusammenhang persönlich kennenlernen wirst.«
Mack stöhnte. Aber so sehr das, was Papa sagte, ihm Bauchschmerzen bereitete, wusste er doch tief im Herzen, dass es die Wahrheit war. Mack stand auf und wollte auf dem Pfad wieder bergab gehen, zurück in Richtung See.
»Mack, wir sind hier noch nicht fertig«, sagte Papa.
Mack blieb stehen und drehte sich um. »Wieso? Ich dachte, du hast mich deswegen hierhergebracht.«
»Das stimmt, aber ich
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