Die Huette
hatte. Mack wusste, dass die wirkliche Missy nicht mehr hier war.
Papa öffnete das Deckenbündel, das Sarayu ihnen mitgegeben hatte, und sofort füllte sich die Höhle mit wunderbar lebendigen Düften. Obgleich das Laken unter Missys Körper verrottet und rissig war, hielt es doch stand, als Mack sie aufhob und sie in das Bett aus Blumen und Kräutern legte. Papa schlug behutsam die Decke zu und trug sie zum Eingang. Mack kletterte als Erster ins Freie, und Papa übergab ihm ihren Schatz. Draußen schulterte Papa wieder seinen Rucksack. Sie hatten kein Wort miteinander gesprochen, nur Mack hatte einige Male geflüstert: »Ich vergebe dir. .. ich vergebe dir ... «
Ehe sie den Ort verließen, nahm Papa den großen Stein, auf den der Mörder den roten Bogen gemalt hatte, und legte ihn vor den Höhleneingang. Mack sah das, schenkte ihm aber nicht viel Aufmerksamkeit, da er ganz mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt war und zärtlich den Leichnam seiner Tochter dicht bei seinem Herzen trug.
17 - Herzensentscheidungen
Es gibt auf Erden keinen Kummer, den der Himmel nicht heilen könnte.
unbekannter Autor
Obwohl Mack Missys Körper als Bürde trug, verging während des Rückwegs die Zeit rasch. Als sie bei der Hütte eintrafen, erwarteten Jesus und Sarayu sie an der Hintertür. Jesus nahm Mack behutsam seine Last ab, und zusammen gingen sie zu der Werkstatt, in der Jesus gearbeitet hatte. Mack hatte die Werkstatt noch nie betreten, und ihre Schlichtheit überraschte ihn. Licht fiel durch große Fenster und brachte den Holzstaub zum Leuchten, der noch in der Luft hing. Die Werkstatt war perfekt eingerichtet und ausgestattet. Alles dort kündete davon, dass dies das Heiligtum eines meisterlichen Handwerkers war.
Vor ihnen stand sein Werk, ein kunstvolles Meisterstück, in das Missys sterbliche Überreste gelegt werden sollten. Als Mack um den Kasten herumging, entdeckte er die Schnitzarbeiten. Er sah, dass Jesus Szenen aus Missys Leben in das Holz gekerbt hatte. Da war Missy mit ihrer Katze Judas. Da war Mack, der im Sessel saß und ihr aus einem Buch von Dr. Seuss vorlas. Die ganze Familie war auf den Szenen zu sehen, die Jesus in die Seitenwände und den Deckel geschnitzt hatte: Nan und Missy, wie sie Cookies buken, die Fahrt mit der Bergbahn am Wallowa-See und sogar Missy, wie sie auf dem Campingplatz in ihr Malbuch malte, und eine genaue Abbildung des Marienkäfer-Ansteckers, den der Mörder dort hinterlassen hatte. Da war sogar eine genaue Darstellung Missys, wie sie lächelnd durch den Wasserfall schaute und dabei genau wusste, dass ihr Vater sich auf der anderen Seite befand. Zwischen diesen Bildern waren Blumen und Tiere eingraviert, die Missy besonders gern mochte.
Mack drückte Jesus an sich, und als sie einander in den Armen lagen, flüsterte ihm Jesus ins Ohr: »Missy hat mir geholfen. Sie hat die Szenen, die sie gerne auf ihrem Sarg haben wollte, selbst ausgesucht.« Da umklammerte Mack Jesus, hielt sich an ihm fest. Lange Zeit war er unfähig loszulassen.
Sarayu strich zart an Mack vorbei und sagte: »Wir haben einen idealen Platz für Missys Körper gefunden, Mackenzie. Draußen in unserem Garten.«
Sehr behutsam und fürsorglich legten sie Missys sterbliche Überreste in den Sarg, auf ein weiches Bett aus Gras und Moos, und füllten ihn dann mit den Blumen und Gewürzen aus Sarayus Bündel. Nachdem sie den Deckel geschlossen hatten, trugen Jesus und Mack den Sarg ins Freie und folgten Sarayu in den Obstgarten. Dort, zwischen Kirsch- und Pfirsichbäumen, umgeben von Orchideen und Lilien, war eine Grube ausgehoben worden, genau an der Stelle, wo Mack am Tag zuvor mitgeholfen hatte, die blühenden Sträucher zu entfernen. Papa erwartete sie. Als sie den reich mit Schnitzereien verzierten Sarg in die Erde hinabgelassen hatten, umarmte Papa Mack.
Sarayu trat vor und verneigte sich mit schwungvoller Gebärde. »Ich habe die Ehre, Missys Lied zu singen, das sie selbst für diesen Anlass geschrieben hat.«
Und mit einer Stimme wie ein Herbstwind begann sie zu singen. Es klang wie raschelndes Laub und Wälder, die sanft einschlafen, wie die kommende Nacht und die Verheißung eines neuen Tages. Es war jene ergreifende Melodie, die Sarayu und Papa zuvor schon mehrmals gesummt hatten, und nun lauschte Mack den Worten seiner Tochter:
Gott, atme in mir tief.
Damit ich atme und lebe
Du, der mich zu sich rief
Nach dessen Liebe ich strebe
Komm, küsse mich,
Wind, nimm meinen Atem
der dich und mich
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