Die Huette
einen Stuhl.« Mack wollte sich nicht hinsetzen. Er musste irgendetwas gegen das Brennen in seinem Magen tun. Er ahnte Schlimmes, blieb stehen und wartete unruhig darauf, dass sie fortfuhr.
»Mack, wir haben etwas gefunden, und es ist keine gute Nachricht.« Er suchte nach den richtigen Worten. »Haben Sie Missy gefunden?« Das war die Frage, auf die er die Antwort nicht hören wollte, und doch musste er es wissen, verzweifelt wissen.
»Nein, wir haben sie nicht gefunden.«
Sam Wikowsky machte eine Pause und stand auf. »Aber ich möchte, dass Sie etwas identifizieren, das wir dort unten in dieser alten Hütte gefunden haben. Ich muss wissen, ob es ihr gehört hat.« Sie bemerkte den Fehler, aber es war zu spät. Schnell setzte sie hinzu: »Ich meine, ob es ihr gehört.«
Mack starrte zu Boden. Wieder fühlte er sich eine Million Jahre alt und wünschte fast, er hätte sich irgendwie in einen der großen gefühllosen Felsen verwandeln können.
»Oh, Mack, es tut mir so leid«, entschuldigte sich Sam. »Hören Sie, wir müssen das nicht sofort tun. Es hat noch etwas Zeit. Ich dachte nur ... «
Er konnte sie nicht ansehen und es fiel ihm schwer, Worte zu finden, die er aussprechen konnte, ohne dabei zusammenzubrechen. Er spürte, wie seine inneren Dämme erneut vor dem Einsturz standen. »Bringen wir's hinter uns«, murmelte er. »Ich will alles wissen, was ich wissen muss.«
Offenbar hatte Wikowsky den anderen einen Wink gegeben, denn plötzlich spürte er, wie Emil und Tommy an seiner Seite waren und ihn stützten, während sie dem Special Agent auf dem schmalen Pfad zur Hütte folgten.
Ein Mitglied des kriminaltechnischen Teams öffnete die Tür der Hütte und ließ sie herein. Man hatte einen Generator in Betrieb genommen und jeder Winkel des Raums war von grellem Licht erhellt. Entlang der Wände standen Regale, da waren ein alter Tisch, ein paar Stühle und ein schweres Sofa, dessen Transport an diesen abgelegenen Ort ein ziemlicher Aufwand gewesen sein musste. Mack erkannte sofort, was es war, das er für sie identifizieren sollte. Er wandte sich ab, brach in den Armen seiner beiden Freunde zusammen und weinte unkontrolliert. Vor dem Kamin auf dem Fußboden lag Missys zerrissenes und blutgetränktes rotes Kleid.
* * *
Die nächsten Tage und Wochen vergingen für Mack in einem alle Emotionen betäubenden Gewirr von Zeugenaussagen und Presseinterviews, gefolgt von einem Trauergottesdienst für Missy, mit einem kleinen leeren Sarg und einem endlosen Meer aus Gesichtern, die traurig vorbeiparadierten, unfähig, die richtigen Worte zu finden. Nach ein paar Wochen begann für Mack die schmerzhafte Rückkehr in den normalen Alltag.
Wie es schien, hatte der Kleine Ladykiller sein fünftes Opfer ermordet, Melissa Anne Phillips. Wie schon bei den vier früheren Fällen gelang es der Polizei nicht, Missys Leiche zu finden, obwohl man die Wälder bei der Hütte tagelang durchkämmt hatte. Und auch in diesem Fall hatte der Mörder keine Fingerabdrücke und keine DNA-Spuren hinterlassen. Außer der Anstecknadel hatte man überhaupt nichts, als wäre der Mann ein Geist.
Schließlich versuchte Mack, wenigstens seiner Familie gegenüber aus dem Nebel von Schmerz und Trauer aufzutauchen. Sie hatten eine Schwester und Tochter verloren, aber es wäre falsch gewesen, ihnen auch noch den Vater und Ehemann zu nehmen. Natürlich waren sie alle von der Tragödie gezeichnet, aber Kate schien Missys Tod am meisten zuzusetzen. Wie eine Schildkröte zog sie sich in einen Panzer zurück. Nur wenn sie sich vollkommen sicher fühlte, streckte sie vorsichtig den Kopf heraus, doch das geschah immer seltener.
Mack und Nan machten sich zunehmend Sorgen um sie, aber es gelang ihnen nicht, die richtigen Worte zu finden, um die Festungswälle zu überwinden, die Kate um ihr Herz errichtete. Versuche, mit ihr ins Gespräch zu kommen, endeten jedes Mal als einseitige Monologe, bei denen alles Gesagte wirkungslos von Kates versteinertem Gesicht abprallte. Es war, als ob etwas in ihr gestorben war und nun immer mehr ihre Seele vergiftete, was in gelegentlichen bitteren Worten oder emotionslosem Schweigen seinen Ausdruck fand.
Josh ging es besser, was zum Teil auf seine auch aus der Distanz aufrechterhaltene Freundschaft mit Amber zurückzuführen war. E-Mails und Telefongespräche gaben ihm Gelegenheit, seinen Schmerz in Worte zu fassen, und Amber half ihm auf sehr einfühlsame Weise, seine Trauer zu verarbeiten. Außerdem bereitete er sich
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