Die Huette
wunderschön gepflegt war. Nicht weit entfernt murmelte der Bach eine harmonische Melodie. Ein Bootssteg, an dem drei Kanus vertäut waren, ragte etwa fünfzehn Meter in den See. Rasch brach nun die Nacht herein, und die ferne Dunkelheit war bereits erfüllt vom Gesang der Grillen und Ochsenfrösche. Jesus nahm seinen Arm und führte ihn zu dem Steg. Macks Augen mussten sich noch an das Zwielicht gewöhnen, aber am mondlosen Himmel entdeckte er schon die ersten Sterne.
Sie gingen ein gutes Stück auf den Steg hinaus und legten sich rücklings auf die Holzplanken. Dass dieser Ort so hoch im Gebirge lag, ließ den Himmel umso großartiger wirken. Mack staunte über die Anzahl der Sterne und die Klarheit, mit der sie hier zu sehen waren. Jesus schlug vor, die Augen für ein paar Minuten zu schließen und abzuwarten, bis die letzten Reste der Abenddämmerung gewichen waren und völlige Nacht herrschte. Mack war einverstanden, und als er seine Augen schließlich wieder öffnete, war der Anblick so überwältigend, dass ihm ein paar Sekunden lang schwindelig wurde. Er hatte beinahe das Gefühl, in den Weltraum hineinzufallen, so als rasten die Sterne ihm entgegen, um ihn zu umarmen. Er streckte die Hände aus und stellte sich vor, er könnte Diamanten, einen nach dem anderen, aus dem samtschwarzen Himmel pflücken.
»Wahnsinn! «, flüsterte er.
»Unglaublich!«, flüsterte Jesus, dessen Kopf dicht bei Macks Kopf in der Dunkelheit lag. »Dieser Anblick wird mir niemals langweilig.« »Obwohl du es erschaffen hast?«, fragte Mack.
»Ich habe es als das Wort erschaffen, bevor das Wort Fleisch wurde.
Also sehe ich es, obwohl ich es erschaffen habe, nun mit den Augen des Menschen. Und ich muss sagen, es ist beeindruckend!«
»Oh ja, das ist es.« Mack war unsicher, wie er seine Empfindungen in Worte fassen sollte. Doch während sie schweigend dalagen und staunend zu der himmlischen Offenbarung aufblickten, fühlte er in seinem Herzen, dass auch dies heilig war. Während sie in ehrfürchtigem Staunen ins All schauten, zogen gelegentlich Sternschnuppen kurze Leuchtspuren durch den Nachthimmel, worauf jedes Mal der eine oder andere ausrief: »Hast du das gesehen? Fantastisch!«
Nach einem besonders langen Schweigen begann Mack zu sprechen. »In deiner Gegenwart fühle ich mich wohler. Du scheinst anders zu sein als die beiden. «
»Was meinst du mit anders?«, erklang Jesu sanfte Stimme in der Dunkelheit.
»Nun.« Mack schwieg einen Moment und dachte darüber nach. »Du bist realer, irgendwie greifbarer. Ich weiß nicht.« Er suchte nach Worten, und Jesus lag geduldig wartend in der Stille.
»Es ist, als hätte ich dich schon immer gekannt. Aber Papa ist überhaupt nicht so, wie ich mir Gott vorgestellt hatte. Und Sarayu - sie ist weit entfernt.«
Jesus lachte leise in sich hinein. »Da ich ein Mensch bin, haben wir natürlich viel mehr gemeinsam.«
»Aber ich verstehe immer noch nicht.. .«
»Ich bin der beste Weg, wie die Menschen zu Papa und Sarayu in Beziehung treten können. Mich zu sehen heißt, sie zu sehen. Die Liebe, von der du spürst, dass ich sie für dich empfinde, unterscheidet sich nicht von der Art, wie sie dich lieben. Und glaube mir, Papa und Sarayu sind genauso real wie ich, wenn auch auf ganz andere Weise.«
»Ist Sarayu der Heilige Geist?«
»Ja. Sie ist Kreativität. Sie ist Aktivität. Sie ist der Atem des Lebens.
Sie ist viel mehr. Sie ist mein Geist.« »Und ihr Name: Sarayu?«
»Das ist ein einfacher Name aus einer unserer menschlichen Sprachen. Es bedeutet> Wind<, ein ganz normaler Wind. Sie liebt diesen Namen.«
»Hmm«, brummte Mack. »An ihr ist aber doch nichts besonders
normal!«
»Das stimmt«, antwortete Jesus.
»Und der Name, den Papa erwähnte, Elo ... , El...«
»Elousia«, sagte die Stimme aus der Dunkelheit ehrfürchtig. »Das ist ein wundervoller Name. EI ist mein Name als Schöpfergott, aber ousia bedeutet >Wesen< oder >Das, was wahrhaft wirklich ist<, also bedeutet dieser Name >Der Schöpfergott, der wahrhaft wirklich ist< und der Urgrund allen Seins. Das ist also auch ein wirklich schöner Name.«
Für eine Weile herrschte Schweigen, während Mack über Jesu Worte nachdachte. »Und welchen Platz nehmen wir in dem Ganzen ein?« Er hatte das Gefühl, diese Frage stellvertretend für die gesamte Menschheit zu stellen.
»Genau den, der seit jeher für euch vorgesehen war. Ihr befindet euch im Mittelpunkt unserer Liebe und unseres Strebens.«
Nach einer weiteren Pause
Weitere Kostenlose Bücher