Die Huette
für Mack den Anstoß zu geben, und er trat von dem Steg hinunter aufs Wasser. Um es sich zu erleichtern, das Wasser als fest betrachten zu können und nicht von dessen Bewegungen erschreckt zu werden, richtete Mack den Blick fest auf das andere Ufer und hielt die Lunchbeutel vorsichtshalber hoch in die Luft.
Die Landung war weicher, als er erwartet hatte. Seine Schuhe wurden sofort nass, aber das Wasser reichte ihm nicht einmal bis hinauf zu den Knöcheln. Rings um ihn kräuselten sich weiterhin die kleinen Wellen des Sees, und fast hätte diese ständige Bewegung Mack aus dem Gleichgewicht gebracht. Es war merkwürdig.
Er senkte den Blick und stellte fest, dass seine Füße auf etwas Solidem, aber Unsichtbarem standen. Er drehte den Kopf und sah, dass Jesus neben ihm stand, lächelnd seine Socken und Schuhe in der Hand haltend.
»Wir ziehen immer unsere Schuhe und Socken aus, bevor wir es tun«, lachte er.
Mack schüttelte lachend den Kopf und setzte sich auf die Kante des Stegs. »Dann mache ich es wohl besser auch so.« Er zog sie aus, wrang die Socken aus und krempelte die Hosenbeine hoch, zur Sicherheit.
Fußbekleidung und Proviantbeutel in den Händen haltend, gingen sie auf das gegenüberliegende Ufer zu. Es war ungefähr eine halbe Meile entfernt. Das Wasser fühlte sich kühl und erfrischend an und schickte ein Kribbeln an Macks Rücken empor. Mit Jesus über das Wasser zu gehen schien die natürlichste Sache der Welt zu sein. Mack grinste bis über beide Ohren. Manchmal blickte er nach unten und hielt nach Forellen Ausschau.
»Weißt du, das ist absolut lächerlich und unmöglich!«, rief er schließlich aus.
»Natürlich«, pflichtete Jesus ihm bei und erwiderte das Grinsen. Rasch näherten sie sich dem anderen Ufer. Mack hörte ein immer stärker anschwellendes Rauschen, aber er sah die Quelle dieses Geräusches noch nicht. Zwanzig Meter vom Ufer entfernt blieb er stehen. Zu ihrer Linken und hinter einem hohen Felskamm erblickte er einen wunderschönen Wasserfall. Das Wasser stürzte mindestens dreißig Meter hinab in einen Teich am Boden einer Schlucht. Der Teich speiste einen großen Gebirgsbach, dessen Mündung in den See Mack aber von seinem Standort aus nicht sehen konnte. Zwischen ihnen und dem Wasserfall lag eine Bergwiese voller blühender, sich im Wind wiegender Wildblumen. Es war eine atemberaubend schöne Szenerie, und Mack stand einen Moment völlig verzaubert da. Ein Bild von Missy tauchte kurz vor seinem inneren Auge auf, verschwand aber sofort wieder.
Ein steiniger Strand erwartete sie, und dahinter die Kulisse eines dichten Waldes, der bis zum Fuß eines von Neuschnee gekrönten Berges anstieg. Etwas links von ihnen, am Ende einer kleinen Lichtung und neben einem leise plätschernden Bach, verlief ein Pfad, der nach wenigen Metern im Dunkel des Waldes verschwand. Mack trat vorn Wasser auf die Ufersteine und balancierte vorsichtig zu einem umgestürzten Baumstamm. Dort setzte er sich hin, wrang erneut seine Socken aus, legte sie zum Trocknen in die inzwischen fast mittägliche Sonne und stellte seine Schuhe daneben.
Erst dann hob er den Kopf und schaute über den See hinweg. Die Schönheit war beeindruckend. In der Feme sah er, in das Grün des Gartens und des Waldes geschmiegt, das Blockhaus, aus dessen rotem Ziegelschornstein eine zarte Rauchfahne aufstieg. Aber das alles wirkte zwergenhaft im Vergleich zu den mächtigen Bergen im Hintergrund, die dort standen wie steinerne Wächter. Mack saß stumm auf dem Baumstamm, Jesus neben sich, und nahm diese visuelle Symphonie intensiv in sich auf.
»Du hast wirklich ein großes Werk vollbracht«, sagte er leise. »Danke, Mack, und du hast erst so wenig davon gesehen! Derzeit kann das meiste, was im Universum existiert, nur von mir selbst genossen und wertgeschätzt werden, so wie die Bilder, die ein Künstler hinten in seinem Atelier lagert, aber eines Tages ... Und kannst du dir vorstellen, wie schön diese Szenerie erst wäre, wenn die Erde nicht mit Krieg überzogen wäre und kein so harter Überlebenskampf mehr herrschen würde?«
»Was genau meinst du damit?«
»Unsere Erde ist wie ein Kind, das ohne Eltern aufwuchs. Es war niemand da, der es erziehen konnte.« Jesus sprach jetzt mit gepresster, gequält klingender Stimme. »Manche haben versucht, ihr zu helfen, aber von den meisten wurde sie nur missbraucht. Die Menschen, deren Aufgabe es doch eigentlich ist, die Welt liebevoll zu regieren, plündern sie stattdessen
Weitere Kostenlose Bücher