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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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das Himmelreich zu sichern. Die Priester sahen darin nichts Unvereinbares. Im Gegenteil. Man tat schließlich Gottes Werk. Möglicherweise war er einfach zu einfältig, das zu verstehen.
    Schlimmer noch als solche Zweifel waren Tod und Schrecken und all das Leiden, das er in den letzten Wochen gesehen hatte. Daran war nichts Heldenhaftes. Es war nur Elend. Aber am Ende diente auch das einem guten Zweck, wenn es darum ging, ihren Brüdern in Outremer zu Hilfe zu eilen und Edessa den Christen wiederzugeben. Doch wenn es so weiterging wie bisher, würden sie es nicht einmal bis dorthin schaffen.
    Der Feldzug, mit so viel Begeisterung begonnen, war schlecht geplant und noch schlechter geführt. Von den Griechen hatten sie sich an der Nase herumführen lassen, die Seldschuken schlugen zu, wie es ihnen gefiel, und ihre eigenen stolzen Anführer stritten sich, machten grobe Fehler, für die viel zu viele ihr Leben gelassen hatten. Mitten im Winter irrten sie ohne Futter oder Nahrung durch eine öde Landschaft. Es gab nicht einmal mehr genug Zelte für alle. Die lagen in der Schlucht am Kadmus mit anderen Dingen, die sie jetzt gut hätten gebrauchen können. Sollten sie nicht bald die Küste erreichen, so war die
militia
verloren.
    Wie lebt ein König damit, fragte er sich, den Tod von Tausenden zu verantworten? Wie kann er noch schlafen? Arnaut jedenfalls kämpfte jede Nacht darum, ein wenig Schlaf zu finden, denn der Tod zu vieler Kameraden, für die er verantwortlich war, lastete auf seiner Seele. Jaufré hatte einmal gesagt, in der Schlacht selbst gehe es nicht um hehre Ziele. Da gehe es nur ums Überleben der Truppe. Man kämpft für seine Kameraden und für nichts anderes. Jetzt verstand er, was damit gemeint war. Und doch, mitten im Schlachtgetümmel, starben Männer rechts und links, und man war hilflos dagegen.
    Ermengarda hatte es geahnt. Bei dem Gedanken an sie kamen ihm die Tränen. Warum hatte er nicht auf sie gehört? Männer zogen in den Krieg, ohne dass ihre Weiber es ihnen ausreden konnten.
    Er schwor sich, von nun an selbstmörderische Ritte wie am Mäander zu unterlassen. Jetzt schämte er sich dafür. Im Gegenteil, ab sofort würde er alles dafür tun, so viele von seiner Truppe wie nur irgend möglich lebend durchzubringen. Das wenigstens schuldete er ihnen.
    ♦
    Im Morgengrauen sammelte Arnaut seine engsten Vertrauten um sich. Verschlafen, mit knurrenden Mägen und im Morgenwind zitternd, standen sie um ihn herum, Severin, Jori, Ferran, Constansa, Aimar und Elena.
    »Hört gut zu«, sagte er. »Die nächsten Tage werden schwierig werden. Wo die Seldschuken lauern, wissen wir nicht, aber es drohen weitere Überfälle. Außerdem, der Hunger im Heer könnte nicht wenige ermutigen, alles für ein bisschen Essen zu tun, zu stehlen und vielleicht sogar zu töten. Seid deshalb wachsam. Lasst nie unsere Tiere aus den Augen, und keiner geht irgendwo alleine hin. Immer in Begleitung. Habt ihr verstanden?«
    Stumm nickten sie ihre Zustimmung.
    »Wir haben bisher tapfer gekämpft. Aber jetzt kommt es mir darauf an, dass wir alle sicher und wohlbehalten Antiochia erreichen. Und ich meine wirklich alle.«
    Die Truppe bestand nicht nur aus den zwei Dutzend einsatzfähigen Rittern, Constansa mit eingerechnet, und einer Handvoll Verwundeter, die bisher überlebt hatten. Von den Knechten, die sich wie Lois Bernat um die Tiere, um Zelte und Waffen kümmerten, waren noch sechs bei ihnen. Elena und Joana waren auch nicht die einzigen Frauen. Zwei der Reiter wurden von ihren Eheweibern begleitet, einige andere hatten unterwegs ein Liebchen aufgegabelt. Sie alle waren Arnauts Schutzbefohlene.
    »Wir werden deshalb unsere Marschordnung ändern«, fuhr er fort. »Von jetzt an bleiben wir immer zusammen. Die Krieger nehmen Packtiere, Frauen und Knechte in die Mitte.«
    »Aber die sollen doch im Tross marschieren«, warf Jori ein. »Und wir Reiter bekommen täglich andere Aufgaben zugeteilt. Wie sollen wir sie da beschützen?«
    »Indem wir uns dumm stellen«, spottete Severin. »Will der Soldat einen Befehl nicht ausführen, dann stellt er sich blöd. Sieht wenigstens nicht nach Befehlsverweigerung aus.«
    »Wo hast du denn solche Weisheiten her?«, schmunzelte Arnaut.
    »Anführer halten ihre Männer doch immer für einfältig. Dümmer jedenfalls als sie selbst.«
    Das brachte ein Grinsen auf ihre Gesichter.
    »Na schön«, sagte Arnaut. »Natürlich müssen wir Ritter für den Großmeister stellen, aber zumindest die fünf,

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