Die Hure Babylon
nur, dass Erbstreit den Tolosanern im Blut liegt. Und was den Besitz von Tripolis betrifft, so liegen die Dinge auch hier nicht eindeutig. Ich hoffe nur, wir werden nicht mit hineingezogen.«
Nun, Erbstreit unter Tolosanern, was hatte das schon zu bedeuten, wenn es doch jetzt einzig darum ging, die nächsten Tage zu überleben? Es war immer schwieriger geworden, die Disziplin aufrechtzuerhalten. Selbst Auspeitschen und Hängen hielt manche nicht davon ab, dem Nächsten das wenige an Essbarem zu rauben, das er noch besaß. Und nur aus gemeinsamer Furcht vor dem Feind brach die Ordnung nicht völlig zusammen. Arnauts Männer bewachten ihre Tiere Tag und Nacht, konnten trotzdem nicht verhindern, dass ihnen einige gestohlen wurden. Drei der Maultiere hatten sie selbst schlachten müssen.
Noch mehr Gepäck und Ausrüstung musste zurückgelassen werden. Die Marschkolonnen schleppten sich mühselig dahin. Wem die Schuhsohlen durchgelaufen waren, band sich Lumpen um die Füße. Männer erkrankten und konnten nicht mehr mithalten. Da Zurückgebliebene dazu verdammt waren, einsam in der Einöde zu sterben oder von den Turkomanen ermordet zu werden, versuchten ihre Kameraden oft, sie noch eine Weile auf dem Rücken zu schleppen, gaben es aber nach Stunden auf, weil sie selbst zu schwach waren. Viele stolperten teilnahmslos dahin, andere griffen schon beim kleinsten Anlass zur Waffe. Messerstechereien waren an der Tagesordnung. Und nachts, wie immer, schlugen die Turkomanen zu.
Am Abend nach dem Streit zwischen Bertran und Josselin erhitzten sich die Gemüter in der
militia,
denn Ritter brachten eine Reihe von Seldschuken ins Lager, die sie während eines heftigen Scharmützels gefangen genommen hatten.
An ihnen wurde die aufgestaute Wut der letzten Wochen ausgelassen. Schon bei ihrer Ankunft wurden drei von ihnen in wenigen Augenblicken von den Pferden gezerrt und von der rasenden Meute in blutige Stücke gerissen. Nur unter Einsatz der Waffen gelang es, die übrigen zwanzig Gefangenen von der Menge zu trennen. Aber auch das geschah nicht aus Menschlichkeit, denn nach einem grausamen Verhör unter Folter, zog man ihnen die Haut in Streifen vom Leib, ließ sie anschließend an den eigenen, abgeschnittenen Geschlechtsteilen ersticken oder schlitzte ihnen die Leiber auf, um sie mit heraushängenden Gedärmen qualvoll verenden zu lassen.
Sosehr sich die meisten an diesem Blutrausch ergötzt hatten, am nächsten Morgen blieb nur Katzenjammer zurück, und die Niedergeschlagenheit war umso größer. Die Priester legten das Schicksal der Gefangenen als Zeichen Gottes aus, dass man bald alle Heiden vernichten würde. Sie ließen nicht ab, Gottes Glorie zu verkünden, und je mutloser das Heer wurde, umso mehr verlegten sie sich aufs Beten. Immer noch wurde das goldene Kreuz vorangetragen, und die Mönche verdoppelten den Eifer ihrer Gesänge. Die Bischöfe beschworen das Heervolk, ihre Sünden zu bereuen und Gottes Prüfungen mannhaft zu ertragen, denn das Himmelreich und die Erlösung aus diesem Tal der Tränen seien ihnen gewiss.
Der Plan, heimlich und im Dunkel der Nacht ihre Rache an dem Templer Étienne de Bernay zu nehmen, hatte sich als weitaus schwieriger erwiesen als gedacht. Sosehr Constansa und Severin versuchten, ihm aufzulauern, selten war er allein. Außerdem blieben wegen der Diebstähle zu viele wach, die mit Argusaugen ihr Hab und Gut bewachten. Sein Zelt teilte er mit anderen Ordensbrüdern, und wenn er ausritt, war er von Kriegern umgeben. Am Ende waren auch sie zu entkräftet, um weiter an diesem Plan festzuhalten. Sie würden die Sache verschieben müssen.
Ein Gutes hatte es dennoch, denn zwischen den beiden war eine neue Verbundenheit entstanden. Constansa begann, ihm zu vertrauen, sie war nicht mehr abweisend, suchte im Gegenteil seine Nähe, teilte ihre Gedanken mit ihm. Auch wenn sie sich noch dagegen wehrte, aber ihre Gefühle für ihn wuchsen von Tag zu Tag. Nur wenn er sie berühren wollte, dann überfiel sie wieder panische Angst, und sie wich vor ihm zurück. Aber Severin, der sonst nicht für seine Feinfühligkeit bekannt war, verstand es.
Arnaut hatte am Abend Lois Bernat geholfen, seinen Hengst zu versorgen, als Elena sich ihnen näherte.
»Dein Freund, der junge Prinz, ist krank«, sagte sie.
»Bertran? Was hat er?«
»Pinkelt Blut und hat Schmerzen dabei. Und inzwischen auch starkes Fieber.«
Das waren keine guten Nachrichten. »Hast du ihm etwas gegeben?«, fragte er besorgt.
»Mein
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