Die Hure Babylon
verscharrt hatte.
Als die Feuer niederbrannten und es dunkel im Zelt geworden war, konnte er immer noch nicht schlafen. Da gewahrte er eine Hand, die durch den Eingangsschlitz tastete, und wollte schon hochfahren, als er sanft berührt wurde und eine Frauengestalt ins Zelt schlüpfte. Er konnte sie im Dunkeln nicht erkennen und wusste doch, dass es Elena war. Er machte ihr Platz, ließ sie unter seine Felldecke kriechen und legte den Arm um sie.
Lange lagen sie still, ohne ein Wort. Allein schon die Gegenwart, der Atem und die Wärme des anderen, die sanften Berührungen hatten etwas Tröstliches. Elena, sonst so stark und ungebrochen, fühlte sich mit einem Mal klein und schwach in seinen Armen und dennoch so geborgen, dass sie die Tränen nicht länger zurückhalten konnte. Sie weinte über die Schrecken der letzten Monate und über Menschen, die für immer dahingegangen waren. Aber sie weinte auch über ihr Glück, in dieser Nacht bei ihm liegen zu dürfen.
Als ihre Finger zärtlich über sein Gesicht wanderten, hielt ihn selbst der Schmerz der Wunde nicht länger zurück. Mit verzweifelter Heftigkeit klammerte er sich an sie und spürte dabei ihre Weiblichkeit mit brennender Deutlichkeit. In der Heimlichkeit und Dunkelheit des Zeltes erlebten sie das ewige Wunder, nicht nur des Fleisches, sondern der Berührung zweier Seelen, die trotz Tod, Leid und Entbehrung immer noch fähig waren, einander Liebe zu schenken.
In den frühen Morgenstunden ließ Elena ihn schlafend zurück und schlich sich aus dem Zelt. Dass sie den Mut aufgebracht hatte, bereute sie nicht, auch wenn sie klug genug war, nicht viel mehr von dieser Liebe zu erwarten.
Der Marsch des nächsten Tages wurde hart. Aber nach einem mühseligen Aufstieg überwand das christliche Heer die Höhen des Taurus. Zu aller Erstaunen war von den Seldschuken weit und breit nichts zu sehen gewesen. Die ersten byzantinischen Patrouillen kamen ihnen entgegen, und am Abend, von der Passhöhe herunter, sahen sie, wie am Horizont das weite Meer sich vor ihren Blicken auftat. An seinen fernen Gestaden war eine Stadt zu erkennen. Das musste Attalia sein, deren weiße Mauern im Sonnenuntergang leuchteten und die Herzen mit Hoffnung füllten.
Gestrandet
F ür die Bewohner von Attalia musste das Christenheer, das unerwartet in der fruchtbaren Landschaft vor ihren Toren aufgetaucht war, ein seltsamer Anblick sein.
Grau vom Staub der Straße, ausgemergelt und am Ende ihrer Kräfte schleppten sich Männer und Tiere dahin. Die verhärmten Gesichter, die Verbände an vielen der zerlumpten Gestalten und die oft blutverkrusteten
sobrecots
erzählten ihre eigene Geschichte.
Und doch grinsten diese Franken in idiotischer Dankbarkeit, als Bauern sie am Wegrand mit Körben voller Obst und Gemüse empfingen, fliegende Händler ihnen Wein, Brot, Datteln oder Gebratenes boten. Sie ließen auf der Stelle ihr Pack zu Boden gleiten, tauschten oft das Letzte an Beute oder Silber gegen etwas zu essen ein, um es auf der Stelle gierig herunterzuschlingen. Danach wollten viele gar nicht mehr aufstehen, und es dauerte lange, bis ein ordentliches Lager errichtet werden konnte.
Mit Tränen in den Augen umarmte Friedrich von Schwaben seinen totgeglaubten Oheim, Bischof Otto von Freising, der es mit einer kleinen Schar Überlebender ebenfalls bis Attalia geschafft hatte, und nun mit Freuden seine Landsleute in Empfang nahm.
Als die griechischen Weinhändler im Lager auftauchten, vergaßen die meisten ihre Müdigkeit. Ein unvorstellbares Saufgelage hob an, als müssten die Männer an einem Abend alles nachholen, was sie in den letzten Wochen entbehrt hatten. Vielleicht auch, um für eine Nacht das Grauen der erlebten Schlachten zu verdrängen. Und so wollte das Grölen der Feiernden nicht aufhören, überall zwischen den Zelten stolperte man über Weinleichen oder trunken kopulierende Paare.
Am Morgen erschienen Vertreter der byzantinischen Obrigkeit, allen voran der Statthalter von Attalia, ein gewisser Alexandros Stavros, und der Gesandte des Kaisers, ein Lombarde, der sich Landolfo nannte.
Sie warfen missbilligende Blicke auf die geflickten, vom Wetter gezeichneten Zelte und verwahrlosten Krieger. Man sah es ihren Mienen an, dass sie das elende Pack am liebsten zum Teufel geschickt hätten, wären da nicht die harten Gesichter kampferprobter Männer gewesen, die nicht zögern würden, ihre Waffen zu gebrauchen.
Als man sie ins Zelt des Königs bat, bemühten sie sich um vornehme
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