Die Hure Babylon
bis wir genügend herangeschafft haben. Auch müssen wir hoffen, dass uns das Meer keinen Strich durch die Rechnung macht. In dieser Jahreszeit … Ihr versteht, was ich meine.«
»Brot für das Heer brauchen wir aber sofort«, ließ sich Everard drohend vernehmen. »Sonst verhungern uns die Männer. Wenn ihr nicht liefert, müssen wir es uns selbst besorgen.«
»Wir werden liefern«, sagte Alexandros zähneknirschend. »Gegen Bezahlung natürlich.«
Der König nickte. »Schreibt nur alles auf. Wir werden euch Schuldscheine geben. Die Templer verbürgen sich dafür.«
Gold wäre Alexandros lieber gewesen, aber der Templerorden, der im ganzen Frankenreich viele Stifte und Ländereien verwaltete, hatte sich zum Bankhaus für derlei Geldgeschäfte zwischen Ost und West entwickelt und genoss einen guten Ruf. Deshalb wagte er nicht, das Angebot des Königs auszuschlagen.
»Da wäre allerdings noch etwas«, meinte Landolfo etwas verlegen. »Wir müssen darauf bestehen, dass Ihr den Eid erneuert,
Sire,
den Ihr dem Kaiser geschworen habt. Ich habe entsprechende Anweisungen erhalten.«
»Zweifelst du etwa am Wort des Königs, Bube«, polterte Amédée de Savoie. »Wir lassen uns nicht erpressen …«
Louis brachte ihn mit einer Handbewegung zum Schweigen. »Wir sind guten Willens, mein Freund«, sagte er zu Landolfo. »Wenn es den Kaiser und Euch beruhigt, so erfüllen Wir Euch den Wunsch.«
Und so schworen Louis und seine Heerführer, auch wenn es manchem übel aufstieß, ein zweites Mal, die Rechte des Kaiserreichs auf ehemalige byzantinische Besitzungen zu respektieren.
♦
»Es ist nicht zu machen«, sagte Severin.
Constansa warf ihm einen trotzigen Blick zu. »Willst du etwa aufgeben?«
»Nein, aber an den Kerl kommt man nicht ran.«
Seit zwei Wochen lagerte die
militia
jetzt vor Attalia, und währenddessen hatten sie alles versucht, Étienne de Bernay aufzulauern.
Constansa schüttelte zornig den Kopf. »Er darf nicht davonkommen. Ich habe es mir geschworen.«
Es war inzwischen zu einer Besessenheit bei ihr geworden. Severin musste fürchten, dass sie irgendwann den Verstand verlor und dem Kerl am helllichten Tag und vor aller Welt das Schwert in den Leib rammte, ganz gleich, was mit ihr danach geschehen würde.
Sie saßen zusammen mit Elena hoch über dem Meer und beobachteten die Brandung, die sich unermüdlich gegen die Felsen warf und jedes Mal weiße Gischt aufspritzen ließ. Möwen kreisten lärmend, stürzten sich kopfüber in die Wellen und tauchten mit einem zappelnden Fisch im Schnabel wieder auf. Nach der Kälte im Hochland war es angenehm warm an der Küste und so wohltuend, hier in der Sonne zu sitzen.
Severin betrachtete Constansas Gesicht, die aufs Meer hinausblickte, wo Fischerboote sich treiben ließen. Der Wind spielte in ihren sonnengebleichten Haaren, die in einem hübschen Gegensatz zur Bräune der Haut standen. Ihre Augen waren klarer geworden, die Wangen nicht mehr so hohl, und jetzt, da sie zum ersten Mal seit langer Zeit keinen Kettenpanzer trug, waren auch ihre weiblichen Formen nicht zu übersehen. Er sehnte sich danach, sie endlich in die Arme zu nehmen und ihr seine Liebe zu beweisen.
Doch zwischen ihnen stand immer noch die abscheuliche Tat des Templers. Er hasste ihn ebenso wie Constansa, wenn das überhaupt möglich war. Aber in Wahrheit bereitete es ihm Unbehagen, einen Mann hinterhältig zu ermorden. Laut sagen würde er das allerdings nicht.
Am liebsten hätte er die Sache auf sich allein genommen, den Templer unter irgendeinem Vorwand herausgefordert und in ehrlichem Zweikampf getötet. Um sich selbst fürchtete er nicht dabei, denn dass die Gerechtigkeit siegen würde, daran hegte er keinen Zweifel. Doch Constansa würde es ihm nicht danken, wenn er sie um ihre Rache betrog. Sie selbst wollte den entscheidenden Streich führen, er sollte nur ihr Helfer und Handlanger sein, eine Rolle, die ihm im Grunde nicht behagte.
»Er geht häufig in die Stadt«, sagte Elena. »Auch abends. Vielleicht sollten wir ihm dort auflauern.«
Den fränkischen Kriegern war es nicht erlaubt, die Stadt zu betreten. Die guten Bürger schreckte die Vorstellung, ganze Horden von groben Soldaten durch die Gassen streifen zu lassen und zuzusehen, wie sie ihre Weiber und Töchter belästigten. Eine Ausnahme hatten sie natürlich für das Königspaar gemacht und für die wichtigsten Heerführer und Bischöfe. Frauen und Geistliche hatten ebenfalls Zutritt und so auch die Templer, alle
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