Die Hure Babylon
Höflichkeit, wie es sich für byzantinische Würdenträger gehörte.
»Gelobt sei Jesus Christus«, begann Landolfo, nachdem man sich allgemein bekannt gemacht hatte. Er schien der Wortführer zu sein und übersetzte, soweit es erforderlich war. »Wir hatten kaum noch mit euch gerechnet,
Sire.
Umso überaus glücklicher sind wir, Euch willkommen zu heißen.«
Mit diesen Worten verbeugte er sich. Und dann noch einmal besonders vor Königin Alienor, wohl aus Erstaunen, dass eine solche Dame den Feldzug begleitete, und weil ihre Schönheit ihn rührte, die trotz der Strapazen des langen Marsches nicht zu übersehen war. König Louis entschuldigte sich, dass er den Herren keine Gastgeschenke machen könne, aber man habe den Großteil des Trosses verloren. Dann überließ er es dem Großmeister, die Bedürfnisse des Heeres anzusprechen.
»Wir brauchen dringend Verpflegung für etwa zwölftausend Mann«, sagte Everard de Barres. »Ich glaube, so viele sind wir noch. Außerdem Heu und Hafer für Pferde und Maultiere.«
»Wie viele Tiere?«
»Dreitausend schätze ich. Wir haben eine Menge unterwegs verloren und würden sie ebenfalls gern ersetzen.«
Die Byzantiner warfen sich betretene Blicke zu.
»Das wird schwierig werden«, sagte Alexandros, der Statthalter, ein untersetzter Mann mit wohlgenährtem Bauch. Sein Blick hatte etwas Berechnendes. »Es ist Ende Januar. Wir haben kaum selbst genug. Und Pferde …« Er hob die Hände in einer hilflosen Geste, als ob an Pferde gar nicht zu denken sei.
»Müssen Wir daran erinnern«, warf König Louis ein, »dass der Kaiser die Verpflegung des Heeres angeordnet hat? Soviel Wir wissen, sind alle Hafenstädte an der Küste entsprechend benachrichtigt worden. Und selbstverständlich bezahlen Wir für alles.«
»Wir haben die Anordnung erhalten«, erwiderte Alexandros mit einem bedauernden Achselzucken. »Nur die Umstände …«
»Ihr müsst verstehen,
Sire
«, ergänzte Landolfo. »Attalia ist von türkisch besetzten Gebieten völlig eingeschlossen. Wir sind ihnen sogar zu Tribut verpflichtet. Unsere besten Weiden an den Hängen des Taurus sind in der Hand der Seldschuken und die Nutzung von ihrem guten Willen abhängig. Wir können deshalb kein Futter in solchen Mengen versprechen. Und an Nahrung mangelt es ebenso.«
Für einen Augenblick herrschte Betroffenheit im Zelt des Königs. Man hatte gehofft, hier in Attalia endlich gute Verpflegung zu erhalten und die Verluste an Tieren wiedergutzumachen. Sofort flackerte Misstrauen auf. Wahrscheinlich wollten diese elenden Griechen nur die Preise hochtreiben, um dann nichts als angefaultes Getreide zu liefern.
»Ohne frische Pferde und Maultiere und ohne ausreichende Verpflegung sind wir nicht in der Lage, den Weg fortzusetzen«, sagte Everard mit durchdringendem Blick. »Dann werdet ihr uns hier für lange Zeit ertragen müssen.«
Seine kühlen Augen hafteten auf den Byzantinern, die verlegen schwiegen, denn Everard, wie jeder der Anwesenden, wusste, dass Attalia, dank des Hafens an einer sonst steinigen Küste, eine wohlhabende Stadt war. Schon vor undenklichen Zeiten hatten hier Menschen gesiedelt und Handel getrieben. Die Byzantiner besaßen außerdem Schiffe. Sie konnten zur Not alles herbeischaffen.
Die Stadt war zwar gut befestigt, aber doch zu schwach, um sich gegen die Franken zu wehren, sollte es ihnen einfallen, die Mauern im Sturm zu nehmen. Und selbst wenn sie friedlich blieben, der längere Aufenthalt dieses Heeres würde sämtliche Vorräte aufzehren und die Menschen von Attalia selbst an den Rand des Hungers treiben. Nicht zu vergessen die Übergriffe, Plünderungen und Schändungen, die eine solche Ansammlung von ausgehungerten und gewaltbereiten Männern mit sich bringen mochte. Diese Gedanken gingen Alexandros durch den Kopf, während er abzuschätzen versuchte, wie ernst Everard seine Drohung meinte. Man musste diese verdammten Latiner irgendwie loswerden, koste es, was es wolle. Er zog den Lombarden für einen Augenblick zur Seite, um mit ihm auf Griechisch zu tuscheln.
»Nun?«, fragte der Großmeister streng, als sie sich ihnen wieder zuwandten.
»Wir werden Schiffe aussenden und versuchen, Euch zufriedenzustellen«, versicherte Landolfo und verbeugte sich zuerst vor dem König und dann noch einmal mit einem besonders warmherzigen Lächeln vor der Königin. Er war sichtlich enttäuscht, als sie dies nur mit einem hochmütigen Kopfnicken beantwortete. »Es wird allerdings etwas dauern, fürchte ich,
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