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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Kaisers errichtet worden war. Nun lag es seit Jahrhunderten ungenutzt, das hintere Ende durch die später entstandene Stadtbefestigung verschlossen und zugemauert. Trotz der marmornen Säulen war es ein übles Loch und roch nach Urin und Verwesung. Ratten raschelten im Unrat.
    Am Nachmittag waren sie Étienne de Bernay heimlich bis zum Palast gefolgt, wo der König Herberge gefunden hatte. Irgendeine Besprechung war dort im Gange gewesen, die spät geendet hatte. Und hier war er nun, der verfluchte Templer, auf dem Heimweg zum Lager und, wie sehnlichst erhofft, auch noch allein und unbewaffnet.
    Seine genagelten Stiefel hallten auf den Pflastersteinen und kamen näher. Constansas Herz klopfte bis zum Hals, obwohl sie beherzter als Elena war. Beide wussten, wenn sie einen Fehler machten, würde es böse enden.
    Inzwischen war der Mann auf der Höhe des Torbogens angelangt und somit auch in Constansas Blickfeld. Jetzt mussten sie handeln. Doch Elena zitterte so sehr vor Furcht, dass sie sich nur an die marmorne Säule des Bogens klammern und mit starrem Blick verfolgen konnte, wie der Kerl an ihrem Versteck vorüberging. Gleich würde er hinter der nächsten Ecke verschwinden und die Gelegenheit ungenutzt verstreichen.
    Da trat Constansa ihrer Freundin kurz entschlossen ans Schienbein. Elena entfuhr ungewollt ein Schmerzschrei. Und irgendwie half es, die Starre zu lösen. Nun schrie und jammerte sie noch einmal, diesmal gespielt und wie verabredet. Weinerlich rief sie um Hilfe. Constansa zog sich wieder in die schwärzeste Ecke des Torbogens zurück. Sie stampfte mit den Füßen auf, schlug mit dem Knüppel auf den modrigen Boden, als fände ein Kampf statt, während Elena heulte, wie jemand, der misshandelt wird.
    Der Templer war ruckartig stehen geblieben. Nun wandte er sich um. Die Schreie kamen aus einem der drei dunklen Torbogen hinter ihm. Es ließ sich kaum etwas erkennen, außer undeutlichen Bewegungen und den flüchtigen Schatten eines Frauenrocks. War das ein Soldat, der gegen ausdrückliche Anordnung …?
    Die Sache hätte ihn wenig gekümmert, wenn der König den Templern nicht befohlen hätte, die Disziplin im Heer durchzusetzen. Also rief er eine Warnung aus. Darauf wurde es still. Aber dann vernahm er erneut ein unterdrücktes Wimmern. Ohne Zögern rannte er los und war in wenigen Schritten bei Elena angelangt, die vor Angst die Arme hochriss, als der Templer vor ihr auftauchte.
    »Was geht hier vor?«, knurrte er und packte sie an den Gelenken. Da traf ihn ein wuchtiger Hieb am Hinterkopf, der ihn auf ein Knie sacken ließ. Er drehte sich in die Richtung, aus der der Angriff gekommen war. Ein weiterer Schlag erwischte ihn, diesmal an der Schläfe. Wie ein gefällter Baumstamm brach er zusammen und regte sich nicht mehr.
    Constansa trat vor und fühlte die Halsschlagader. »Der lebt noch«, sagte sie erstaunt, denn sie hatte mit aller Kraft zugeschlagen.
    Im schwachen Schein der fernen Fackel konnte sie sein Gesicht gerade noch erkennen. Das Blut pochte ihr in den Schläfen beim Anblick dieser verhassten Züge. Seine Brust hob und senkte sich, sonst lag er still, ausgestreckt auf dem Rücken und bewegungslos, ihr völlig ausgeliefert. Er trug wie Constansa weder Schwert noch Rüstung. Unter seinem weißen Mantel hatte er nur eine Tunika der gleichen Farbe.
    »Dann bring ihn endlich um«, flüsterte Elena. Sie wagte kaum zu atmen.
    Constansa wechselte den Knüppel in die Linke und zog ihr Messer aus der Scheide. In kalter Wut legte sie die Klinge an den warmen Hals. Die Haut war weich unter dem Stahl. Sie fühlte das Blut pulsieren und den Atem, der durch die Luftröhre strömte. Ein schneller Schnitt von Ohr zu Ohr und sein Herzblut würde in einem Schwall aus der Wunde schießen und den Boden tränken. Dann würde jedes Leben diesen dreimal verfluchten Leib verlassen, der sie missbraucht und besudelt hatte. In die Hölle würde die schwarze Seele fahren und nichts als eine stinkende Leiche zurücklassen. Jetzt! Tu es endlich!
    Aber sie konnte nicht.
    Ihre Hand zitterte. Sie war erstaunt und erschrocken darüber. Was hinderte sie daran, diesen elenden Wurm zu zertreten, so wie sie es sich tausendmal erträumt hatte? Sie versuchte es noch einmal. Aber die Hand wollte ihr nicht gehorchen.
    »Nun mach schon«, flennte Elena am Ende ihrer Beherrschung. »Was ist, wenn er aufwacht?«
    »Der wacht nicht auf«, sagte Constansa mit erzwungener Ruhe, obwohl ihr Herz wie wild in der Brust hämmerte.
    »Auf was

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