Die Hure Babylon
werden?«
»Man muss darüber nachdenken«, sagte sie. »Unter den Guten Christen sind alle gleich, und Frauen gelten bei ihnen genauso viel wie Männer.«
»Ihr müsst es ihr ausreden,
Domina
«, sagte Robert.
♦
Domna
Anhes und das Gesinde sorgten dafür, dass meine Gäste aus Rocafort aufs beste untergebracht waren. Später teilten wir drei ein einfaches Abendmahl und, nachdem Robert sich zurückgezogen hatte, wetzten wir Frauen unser Mundwerk wie zwei eifrige Klatschbasen die halbe Nacht hindurch. Sie erzählte mir alles über ihre Kindheit, über Jaufrés Heimkehr aus Outremer, über Hamids weise Sprüche und Adas Hochzeit, über Arnaut und sein Gezeter, wenn er sich als kleiner Bub weh getan hatte, seinen Ehrgeiz bei der Waffenausbildung und seine Liebe für die Pferde auf dem Gestüt.
Trotz Sorge um ihren Sohn und Trauer um ihren Bruder Raol genossen wir den gemeinsamen Abend. Adela war wie die Mutter, die ich nie gehabt hatte. Auch sie war begierig, von unserem Leben in Narbona zu hören. Für ein paar Stunden vergaßen wir unseren Kummer, und es blieb nicht aus, dass wir ein paar Karaffen Wein leerten. Ich glaube, es krähten schon die ersten Hähne, als wir endlich den Weg ins Bett fanden.
Am nächsten Morgen, reichlich unausgeschlafen, empfing ich
Abas
Clairvaux, der mich mit der gleichen Freundlichkeit wie schon zuvor begrüßte.
»Ihr seid nicht auf der Seite der heiligen Kirche, wie ich gehört habe,
Domna
Ermengarda«, sagte er jedoch unvermittelt, nachdem er sich gesetzt hatte.
In der Bemerkung lag nichts Unfreundliches, sie klang eher wie die beiläufige Erwähnung einer Tatsache, die ihn nicht sonderlich zu bekümmern schien. Warum auch sollte ihn die Meinung einer unbedeutenden Vizegräfin anfechten, ein Mann, der das Ohr von Königen und Päpsten hatte?
»Ich bin auf der Seite unseres lieben Herrn Jesu und der Menschen, für die er gestorben ist«, erwiderte ich.
Die Antwort schien ihm zu gefallen, denn er lächelte anerkennend. »Dann liegen wir nicht so weit auseinander, meine Liebe. Ihr sorgt Euch um das Erdendasein der Menschen, während ich mich um ihr Seelenheil und ewiges Leben kümmere.«
»Indem Ihr sie in den Tod schickt?«
Ich hatte mir geschworen, jeden Streit zu vermeiden, denn mein Zweck war ein anderer, aber diese Frage ließ sich einfach nicht verhindern.
»Wenn Gott uns ruft, auch das«, entgegnete er. »Und wir haben erste Erfolge zu verzeichnen. Die Mauren sind aus Portugal vertrieben. Auch andernorts in Spanien ist die Christenheit im Vormarsch. Und die Wenden werden in Mengen bekehrt, wenn man den Berichten Glauben schenken darf.«
Ich hatte eher davon gehört, dass man sie in Mengen abschlachtete in ihren Dörfern, unterließ es aber, weiter darauf einzugehen.
»Und das Heer König Konrads?«
Sein Antlitz verdunkelte sich, doch nur für einen Augenblick. Dann lächelte er wieder milde. »Ein Rückschlag in der Tat. Aber wer Gott dienen will, darf keinen Kampf ohne Mühe, keinen Sieg ohne Opfer erwarten.«
»Ich hoffe nur, dass Er es damit bewenden lässt und unsere Männer wieder gesund nach Hause führt.«
Er nickte. »Das hoffen wir alle. Aber,
Domna
Ermengarda, Ihr habt doch gewiss etwas anderes auf dem Herzen. Was kann ich also für Euch tun?«
»Ihr habt recht,
Mossenher.
«
Bevor ich mein Anliegen vorbrachte, bot ich ihm Wein an, und diesmal ließ er sich dankend von mir bedienen.
»Mir geht es um einen harmlosen Mann, der unrechtmäßig beim Erzbischof Leveson im Verlies rottet«, sagte ich, nachdem wir uns höflich zugetrunken hatten.
Er hob die Brauen. »Um wen handelt es sich?«
»Ein gewisser Henri de Lausanne«, fuhr ich fort. »Ein Wanderprediger, der nur wirres Zeug redet.«
Er hob die buschigen Brauen. »Wirres Zeug,
Midomna?
Ich habe von dem Mann gehört. Er verdammt die heilige Kirche, will sie abschaffen. Solche Lehren sind gefährlich für den Erhalt unserer Weltordnung. Warum setzt Ihr Euch für ihn ein?«
»Er ist nur ein armer Tropf, der niemandem etwas zuleide tut. Er ist kein Aufrührer, und er hat nicht die öffentliche Ordnung gestört. Außerdem hat der Erzbischof kein Recht, sich in meine Gerichtsbarkeit einzumischen.«
»Ich habe gehört, dass Ihr und der Erzbischof sich nicht besonders gut verstehen. Da möchte ich mich nicht einmischen. Außerdem, die Ketzerplage nimmt ständig zu. Ihr wisst, aus diesem Grund war ich gerade in Tolosa, Albi und anderen Städten. Wir müssen diesen abtrünnigen und gefährlichen Gedanken
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