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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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unglücklich.
    »Wenn Gott alle unehelichen Kinder strafen wollte«, sagte sie und erhob sich wieder, »dann müsste er ganze Landstriche entvölkern. Auch ich wäre gar nicht erst geboren worden und er folglich ebenfalls nicht. Welcher elende Priester hat ihm diesen Unsinn eingeredet? Hoffentlich nicht Aimar?«
    »Nein, nicht Aimar. Ganz im Gegenteil.«
    In diesem Augenblick steckte Raimon den Kopf herein.
    »Ich möchte nicht stören«, sagte er. »Bist du sicher, Ermengarda, du kannst nicht anwesend sein?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Du musst mich entschuldigen.«
    »Gut. Übrigens,
Abas
Clairvaux ist bereit, dir morgen Vormittag seine Aufwartung zu machen.«
    »Danke, Raimon.«
    Er nickte uns kurz zu und schloss die Tür.
    Adela hatte sich wieder gesetzt. Und doch sah man ihr an, dass sie aufgewühlt war. »Clairvaux? Ist das nicht dieser Kirchenmann, der den ganzen Wahnsinn angestachelt hat?«
    »Das ist er.«
    »Verhext hat er alle mit seinem Gift.«
    »So ist es. Aber leider denken die meisten anders.«
    »Hamid hat recht. Dieses elende Gerede von Sünde.« Ihre Augen funkelten vor Zorn. »Sie reden uns ein, der Mensch sei in Sünde geboren, damit wir ihnen gehorchen und unsere Söhne und Männer opfern. Wo soll in einem unschuldigen Kind auch nur ein Funke von Sünde sein? Nein, ich spucke auf ihre verdammte Erbsünde.«
    »Du solltest nicht so reden, Mutter«, ließ Robert vernehmen. »Das ist Gotteslästerung.«
    »Ist es etwa keine Gotteslästerung, Menschen zum Töten aufzuwiegeln? Du bist im Frieden aufgewachsen, Robert, aber dein Großvater, der alte Hamid und Raol, die haben das Schlimmste in Outremer miterlebt. Selbst ich. Wir wissen, was sich Menschen in solchen Kriegen antun. Und dein Bruder hätte es auch wissen müssen. Großvater und Hamid haben ihn oft genug gewarnt. Es hat mir fast das Herz gebrochen, als ich hörte, dass er ihr verdammtes Kreuz genommen hat.«
    Der Junge fühlte sich sichtlich unwohl. Hilfesuchend blickte er mich an. »So redet sie jeden Tag.«
    »Robert«, sagte ich. »Die meisten haben sich von solchen Hetzreden betören lassen. Ich hoffe nur, dass du klüger bist.«
    Er sah mich aufmerksam an.
    »Du bist ein junger Ritter und findest es vielleicht aufregend, in den Krieg zu ziehen. Aber alte Männer wie Clairvaux benutzen euch nur für ihre Zwecke. Weißt du, mit was er sich gebrüstet hat, als das Heer fort war?«
    Er schüttelte den Kopf.
    »Städte und Burgen seien nun leer, nicht ein Mann unter sieben Weibern sei zurückgeblieben. Überall nichts als Witwen von noch lebenden Männern. So hat er sich ausgedrückt.«
    »Was meint er damit?«
    »Für ihn sind die Männer, die in den Krieg ziehen, schon wandelnde Leichen, verstehst du? Sie haben sich für Christus geopfert. Und das findet er gut. Sie wissen, dass sie euch in den Tod schicken, und nehmen es gern in Kauf. Dabei geht es doch nur um die Macht der Kirche. Macht über Könige, Macht über Byzanz. Und ein bisschen Land in Outremer, weit weg von hier. Willst du dein junges Leben dafür aufs Spiel setzen? Für den Ehrgeiz alter Männer?«
    Meine Worte hatten Robert verunsichert, und er senkte den Blick. Ich betrachtete sein junges Gesicht und die geröteten Wangen, auf denen der erste Flaum wuchs. Am liebsten hätte ich ihn in die Arme genommen, so sehr ähnelte er Arnaut.
    »Und was will dieser Priester bei dir?«, fragte Adela.
    »Er bereist den Süden, zieht von Stadt zu Stadt, um gegen die Ketzer zu predigen, die immer mehr Zulauf finden.«
    »Die Herren sind wohl besorgt«, erwiderte sie nicht ohne Befriedigung.
    »Sag mal, kennst du einen Henri de Lausanne?«
    »Schon gehört. Ein Wanderprediger, nicht?«
    »Der sitzt hier seit Monaten im Verlies des Erzbischofs.«
    »Von denen gibt es einige. Oft reden sie wirres Zeug.« Sie senkte plötzlich vertraulich die Stimme. »Aber hast du schon von den Guten Christen gehört?«
    »Gerüchte, aber ich weiß nichts Genaues.«
    »Auf dem Land gibt es viele, die auf sie hören«, raunte sie. »Sogar Familien vom Adel sollen sich ihnen angeschlossen haben.«
    »Mutter«, warf Robert ein. »Sie predigen gegen die Kirche. Sie wollen alles ändern.«
    »Na und? Wäre nicht das Schlechteste.« Sie wandte sich wieder mir zu. »Es sind herzensgute Menschen, rein und gottesfürchtig. Ihre Priester leben in Armut und versuchen, ein Leben in Vollkommenheit zu führen. Viele ihrer Anhänger geben alles Silber für die Armen her.«
    »Du willst doch nicht eine von ihnen

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