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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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groß und kräftig war.
    »Wie ist es passiert?«, fragte ich.
    »Aus heiterem Himmel«, sagte sie und schüttelte den Kopf, als könne sie es nach wie vor nicht glauben. »Der Schlag hat ihn getroffen. Morgens ritt er aus, wie immer. Mittags brachten sie ihn heim. Er lebte noch zwei Tage, konnte aber nicht mehr reden. Die ganze rechte Seite war gelähmt. In der Nacht ist er verstorben. Ich glaube, er hat zum Glück nicht viel davon mitbekommen.«
    Mein Gott. Raol. Ein Mann wie ein Granitfels. Einfach so umgefallen. Er hatte mir einmal sehr geholfen. Sein Tod betrübte mich, auch wenn ich erleichtert war, dass die schlechte Nachricht nichts mit Arnaut zu tun hatte.
    Ich streichelte Adelas Hand. »Ich bin froh, dass Ihr gekommen seid. Wenn ich etwas tun kann?«
    Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich war nicht darauf vorbereitet«, flüsterte sie. »Erst mein Vater. Und nun auch noch Raol. Was soll aus Rocafort werden?«
    »Ich bin ja auch noch da. Braucht Ihr einen Verwalter, jemanden, der sich um die Ländereien kümmert?«
    »Nein,
Midomna,
ich danke Euch. Für den Augenblick kommen Cortesa und ich zurecht. Den alten Hamid gibt es ja auch noch. Ich mache mir nur Sorgen um die Zukunft.«
    »Aber Ihr habt doch zwei starke Söhne,
Domna
Adela.«
    Sie holte ein zerknautschtes, schon feuchtes Tüchlein aus der Tasche und betupfte damit ihre Augen. Dann warf sie einen Blick auf ihren Sohn.
    »Ihr habt recht. Robert ist mir eine wahre Stütze. Aber er ist noch so jung. Wenn doch nur Arnaut hier wäre.« Sie sah mich fast flehentlich an. »Habt Ihr etwas von ihm gehört? Ich hatte gehofft … Deshalb sind wir gekommen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nichts Neues seit dem Brief.« Von Aimars Nachricht hatte ich ihr eine Abschrift zugesandt.
    »Es heißt, das Heer der Alemannen sei besiegt worden«, hauchte sie. »Wir sind alle in schrecklicher Sorge.«
    Ich nickte. »Ja, so ist es. Die Alemannen sind in eine Falle geraten, wie mir berichtet wurde. Aber unser König hat einen anderen Weg genommen. Entlang der Küste. Die letzte Kunde ist von einem Ort namens Ephesus. Von dort sind sie zu Weihnachten ins Landesinnere aufgebrochen. Man konnte mir noch von einer Schlacht in der Nähe berichten, die die Unseren aber ohne größere Verluste gewonnen haben.«
    »Ohne größere Verluste«, sagte sie tonlos.
    Das Wort
Verluste
hing zwischen uns, während wir uns lange schweigend ansahen. Weihnachten war schon Monate her. Alles konnte inzwischen geschehen sein, Gutes wie Schlechtes.
    »Ihr habt euch zerstritten, nicht wahr?«, sagte sie.
    »Es war meine Schuld.«
    »Ist er deshalb mit dem König gezogen?«
    »Nein. Das hatte andere Gründe.« Ich warf einen verunsicherten Blick auf Robert.
    Der merkte mir die Verlegenheit an und erhob sich. »Soll ich besser draußen warten,
Domina?
«
    Wie feinfühlig von ihm. Es war das erste Wort, das er seit seiner Ankunft gesprochen hatte. Sein Gesicht war ernst, aber gefasst. Und nicht ohne Selbstvertrauen. Er war kein Kind mehr. Also wollte ich ihn auch nicht wie eines behandeln.
    »Bleib hier, Robert. Ich habe keine Geheimnisse vor dir oder deiner Mutter.« Dann holte ich tief Luft. »Arnaut und ich erwarteten ein Kind.«
    Adelas Augen weiteten sich. Aber sie unterbrach mich nicht.
    »Ich war überglücklich«, fuhr ich fort. »Aber durch einen Unfall während der Schwangerschaft ist es mir genommen worden. Danach war ich lange krank. Es hätte nicht viel gefehlt und ich wäre selbst gestorben.«
    »Verges Maria.«
Adela bekreuzigte sich. Sie stand auf, kniete vor mir nieder und umfasste meine Hände, um mich zu trösten. »Wenn ich das doch nur gewusst hätte,
Midomna.
Ihr hättet mich rufen sollen. Ich wäre wie ein Vogel geflogen, um Euch beizustehen.«
    »Ich bitte dich, Adela, nenn mich nicht mehr
midomna.
Ich betrachte euch alle als meine Familie. Außer meiner Halbschwester Nina habe ich keine andere. Und jetzt, da ihr beide hier seid, merke ich, wie froh ich darüber bin.«
    Sie drückte meine Hände fester und lächelte. »Ein Enkelkind. Ich hatte es mir so gewünscht«, sagte sie, und ihre Augen wurden feucht. »Aber es wird andere geben, Ermengarda. Ganz gewiss wird es andere geben.«
    Ich nickte nur, jetzt ebenfalls in Tränen. Die Meinung der alten Kräuterfrau wollte ich lieber nicht erwähnen. »Arnaut fühlte sich schuldig«, sagte ich stattdessen. »Wir hätten gesündigt, und es sei Gottes gerechte Strafe.«
    »Deshalb also ist er …«
    Ich bejahte, tief

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