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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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Freude seine beiden Hände.
    »Endlich seid Ihr da,
Sire.
Wir haben Euch nur allzu sehnlichst erwartet.«
    Nachdem die Männer sich herzlich begrüßt hatten, wandte sich Raimon an Alienor und umarmte und küsste sie mit der allergrößten Vertrautheit, was einige der fränkischen Adeligen doch sehr verwunderte, aber schließlich waren sie als Kinder zusammen aufgewachsen.
    »
Bon Dieu,
Alienor. Du bist ja noch tausendmal schöner geworden. Wie lange ist es nun schon her?«
    »Dreizehn Jahre«, erwiderte sie und himmelte ihn an.
    Alienor konnte sich nicht helfen, sie sonnte sich in seiner offensichtlichen Bewunderung und war froh, dass sie sich für diesen Empfang ein wenig herausgeputzt hatte. Dreiunddreißig Jahre zählte Raimon, nur sieben Jahre älter als sie selbst. Und was für ein stattlicher Kerl er doch war, groß, schlank, von elegantem, höfischem Benehmen, ein tapferer Krieger, wie man hörte. Gesunde Zähne blitzten in diesem von der südlichen Sonne gebräunten Gesicht, und eine dunkle Locke fiel ihm über das rechte Auge, was seiner Erscheinung etwas Verwegenes verlieh.
    Neben diesem strahlenden Mann verblasste ihr magerer Louis, und sie musste sich beherrschen, um Raimon nicht für sich allein mit Beschlag zu belegen.
    Der Prinz und seine normannischen Ritter, denn das waren sie in der Mehrzahl, hatten edelgezäumte Pferde für den König und sein Gefolge mitgeführt. Und so brach man gleich auf, um die drei bis vier Stunden Wegstrecke von Saint Simeon nach Antiochia in Angriff zu nehmen.
    Vor den Augen der Königin präsentierte sich das Tal des Orontes im ersten Frühlingsrausch. Bunte Tupfer auf Wiesen und Sträuchern wetteiferten mit der Obstblüte auf den Feldern. Bäche plätscherten durch grüne Auen, und in der Luft war ein ständiges Summen von Bienen, in den Zweigen ein reges Gezwitscher von emsigen Nestbauern zu hören.
    Hatte sie auf dem Marsch durch Anatolia die Berge zu hassen gelernt, das mühselige Auf und Ab der steinigen Pfade, immer von schlechtem Wetter und Feinden bedroht, so erschienen ihr hier die blauen Höhen, die das Flusstal rahmten, wie wohlwollende Wächter über einer von Gott gesegneten Landschaft. Überhaupt war nun alles anders. Die freundlichen Gesichter, der angeregte Austausch mit Raimon und seinen Männern, die alles erklärten und auf besondere Schönheiten der Gegend verwiesen, all dies war angetan, für einige Stunden die Strapazen der letzten Monate zu vergessen.
    Und als sie endlich der großen Stadt ansichtig wurden, blieb ihr vor Staunen der Mund offen stehen. Antiochia war äußerst anmutig gelegen, eingebettet zwischen dem Orontes im Westen und dem Berg Silphius im Osten, auf dessen unteren Hängen sich Weinberge emporzogen. Aber was so sehr beeindruckte, war das schiere Ausmaß der Stadt und ihrer gewaltigen Mauern, die am Fluss entlang und bis über die Höhen des Silphius verliefen, wo hoch oben die Zitadelle thronte.
    »So riesig«, sagte Alienor. »Ich habe noch nie eine solche Stadt gesehen. Außer Konstantinopel natürlich.«
    »Antiochia gehörte neben Rom, Alexandria und Konstantinopel zu den größten Städten der Alten Welt«, sagte Raimon. »Jetzt leben hier viel weniger Menschen, aber immer noch an die zwanzigtausend. Zur Versorgung gibt es Felder und Gärten sogar innerhalb der Mauern, und der Silphius liefert genügend Wasser, so dass man einer Belagerung ewig standhalten kann.«
    Wie bezeichnend, dass Männer immer zuerst über das Militärische reden müssen, dachte Alienor. Aber sie unterbrach ihn nicht, denn er sah so blendend aus auf seinem weißen Hengst mit der Nachmittagssonne im Haar.
    »Vierhundert Türme zählt die Stadtmauer«, fügte er hinzu. »Unmöglich einzunehmen. An der Flussseite lassen sich keine Belagerungstürme anbringen und in den Bergen dahinter noch viel weniger.«
    Nur durch Bestechung und Verrat war es vor fünfzig Jahren den Normannen des großen Bohemund von Tarent gelungen, als Erste in die Stadt einzudringen und so die achtmonatige Belagerung erfolgreich abzuschließen. Allerdings nicht ohne ein schreckliches Blutbad unter der Bevölkerung anzurichten, die nur zum geringen Teil muslimisch gewesen war. Auch heute lebte in der Stadt ein buntes Gemisch von Griechen, Latinern und Armeniern, orthodoxen wie lateinischen Christen, Maroniten oder Juden. Die Oberschicht bildeten die fränkischen Ritter, zumeist Normannen aus Italia und Sizilien.
    Schon weit bevor das königliche Paar und sein Gefolge sich der Brücke

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