Die Hure Babylon
»Wichtige Geschäfte für
Domna
Ermengarda.«
»Setz dich zu mir, Arnaut. Geht es dir gut in Narbona?«
»Ja, Großvater.«
»Ein großartiges Weib, deine Ermengarda.« Es gelang ihm, noch einmal ein Grinsen auf die Lippen zu bringen. »Halte sie gut fest, mein Junge.«
»Ich bemühe mich.«
»Aimar hat mir einmal versprochen, das Grab deiner Großmutter Noura zu besuchen. Ist schon lange her. Ich wünschte, er würde sich daran erinnern.«
Fraire
Aimar war ganz jung als armer Schreibermönch nach Rocafort gekommen.
Senher
Jaufré hatte Gefallen an ihm gefunden und ihn in die
familia
aufgenommen.
»Ich will es ihm ausrichten, Großvater.«
»Nach Raol wirst du der
castelan,
mein Junge. Und dann Robert. So ist es bestimmt. Ihr seid die Zukunft der
familia.
«
Er schloss die Lider und seufzte, als habe ihn das Gerede übermäßig erschöpft. Arnaut biss sich auf die Lippen. Was hatte es schon zu bedeuten, wer hier
castelan
wurde, wenn Großvater nur wieder gesund würde.
»Möchtest du ein wenig schlafen, Vater«, fragte Raol sanfter, als man es von ihm gewohnt war.
Jaufrés Augen flogen auf. »Nein, nein. Bald werde ich mehr Schlaf bekommen, als mir lieb ist.« Er wollte sich aufrichten. Raol trat hinzu und hob ihn in eine bequemere Haltung. »Wo ist Cortesa und überhaupt alle? Holt sie her«, krächzte Jaufré. Und während Ada hinauseilte, sagte er: »Ihr werdet mich neben meiner Berta begraben. Du hast es versprochen, Raol.«
»Gewiss, Vater.«
»Du hast doch deine Mutter nicht vergessen.«
»Wie könnte ich?«
»Sie hat so viel von mir ertragen müssen. Das ist das Einzige, das ich wirklich bereue.«
Nicht nur Berta, dachte Arnaut, denn Raol war praktisch ohne Vater aufgewachsen während Jaufrés langer Abwesenheit im Heiligen Land.
Inzwischen füllte sich der Raum, als Mägde und Knechte auf Zehenspitzen die Kammer betraten. Sogar der Wildhüter Gustau und der Schmied, der Dorfälteste, waren gekommen. Maria wischte sich verlegen die Hände an der Schürze ab und fuhr sich mit der Hand übers Haar. Zuletzt stahl sich Cortesa herein.
»Komm zu mir, Cortesa«, sagte Jaufré.
Als sie sich an seine Seite setzte, nahm er ihre Hand in die seinen. »Sei nicht traurig, meine Liebe.«
»So hast du mich noch nie genannt«, hauchte sie.
»Nun hole ich es nach, meine Liebe. Du hast mir die letzten Jahre sehr versüßt. Ich danke dir.« Er streichelte ihr die roten Arbeitshände und lächelte.
Cortesa wandte sich mit tränenüberströmtem Gesicht an Raol. »Wann kommt endlich ein Priester aus Cubaria?«, fragte sie.
»Von dem Lumpenpack will ich keinen sehen«, knurrte Jaufré, bevor Raol antworten konnte, und musste darauf wieder qualvoll husten, bis er grünen Auswurf spuckte.
Cortesa und Adela machten unglückliche Gesichter, aber auch Raol schüttelte energisch den Kopf. Immer wieder in den Jahren hatten sie Ärger mit den Mönchen gehabt.
»Aber das Fegefeuer …«, ließ Ada sich vernehmen. Die Angst vor der Ewigkeit stand ihr ins Gesicht geschrieben.
Doch
Senher
Jaufré ließ sich nicht beeindrucken.
»Hamid und ich sind über die Mauer von Jerusalem geklettert«, sagte er nicht ohne Stolz in der Stimme. »Unsere Sünden sind damit längst vergeben. Auch wenn mein alter Heidenfreund es für Blödsinn hält.« Er zwinkerte Hamid zu. »Aber ich habe es von höchster Stelle. Oder glaubt ihr etwa dem Heiligen Vater nicht?«
Niemand hätte sagen können, ob er es ernst meinte oder nicht. Sein Gesicht war grau vor Erschöpfung. Er legte den Kopf zurück und schloss mit einem Seufzer die Augen. »Ich glaube, ich bin jetzt doch ein wenig müde.«
Die kleine Madonna
T rotz der kalten Umschläge, die Adela und Cortesa stündlich wechselten, stieg das Fieber. Gegen Abend wurde Jaufré teilnahmslos und sprach nicht mehr. In der Nacht fiel er in einen tiefen Schlaf, aus dem er nicht mehr erwachte.
Als frühmorgens das erste Wehklagen durch die Burg hallte, setzten die Frauen ihren Willen durch und holten Beistand aus dem nahen Kloster.
Domna
Adela selbst, so zerschlagen und übernächtigt sie war, begab sich nach Cubaria, um dem Prior einen schweren Beutel Gold für ein gebührendes Begräbnis zu übergeben und mit dem Versprechen, sechs Monate lang täglich eine Messe für ihren Vater zu lesen, auf dass seine Seele nicht allzu lange im
purgatorium
zu leiden habe.
Der Leichnam wurde in der Kapelle zu Rocafort aufgebahrt, damit die Menschen aus dem Tal ihrem alten
dominus
die letzte Ehre erweisen
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