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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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und die Falten um den Mund schienen sich tiefer gegraben zu haben.
    »Er will euch jetzt alle sehen«, sagte sie. »Auch Cortesa und Hamid.«
    »Nein,
Domina
«, erwiderte die Köchin leise. »Die Familie geht vor. Maria und ich, wir warten hier.«
    Cortesas Zurückhaltung war ungewöhnlich für sie, aber Jaufrés Zustand hatte ihr arg zugesetzt. Oft sind es die äußerlich Starken, denen es schwerfällt, mit Krankheit und Tod umzugehen, dachte Arnaut.
    »Wie du willst«, sagte Adela etwas zerstreut und wandte sich an ihre Kinder. »Kommt jetzt. Aber ermüdet ihn nicht.«
    Einer nach dem anderen betraten sie die große Schlafkammer, in der selbst Adelas Weihrauchkerzen den Geruch nach Fieberschweiß und körperlichem Verfall nicht vertreiben konnten. Ein großes Feuer im Kamin hielt den Raum fast unerträglich warm.
    Ada stürzte an die Seite ihres Großvaters, legte die Arme um seine eckigen Schultern und küsste ihn auf die Wange. Sie hatte feuchte Augen und biss sich auf die Lippen, um die Tränen zurückzuhalten.
Senher
Jaufré lag im großen Ehebett, das er so viele Jahre mit Berta, Raols Mutter, geteilt hatte. Einen Berg von Kissen hatten sie ihm untergeschoben, und Adela hatte ihn gewaschen und hergerichtet. Er trug ein sauberes Hemd, und die eingefallenen Wangen waren glatt rasiert. Sein Atem kam keuchend, die Augen glänzten fiebrig. Dennoch glimmerte der alte Schalk in ihnen.
    »Ada,
mon anjol
«, murmelte er. »Du wirst von Tag zu Tag hübscher, mein Engel. Am besten bleibst du überhaupt bei mir. Dein Verlobter hat dich gar nicht verdient …«
    Ada machte ein Gesicht, als ob sie nicht wisse, ob sie lachen oder doch lieber losheulen sollte, als ein plötzlicher Hustenanfall ihn so heftig packte, dass es ihn wild schüttelte und er daran zu ersticken drohte. Dabei hielt er die Faust fest gegen die Brust gepresst, als fürchtete er, sich die Lunge aus dem Hals zu husten. Tränen des Schmerzes rannen ihm aus den Augen, während er mühsam nach Luft rang. Auch Arnaut wagte kaum zu atmen, litt mit ihm, als würde es helfen, dem Alten die Qual ein wenig abzunehmen.
    Als es vorüber war, ließ Jaufré sich erschöpft gegen die Kissen sinken. Die Brust hob und senkte sich gleichmäßiger, doch der Atem pfiff und rasselte wie der alte Blasebalg in der Schmiede unten im Dorf. Es war entsetzlich, diesen großen, starken Mann so entkräftet zu sehen.
    Domna
Adela hob seinen Kopf an, richtete ihm die Kissen, strich ihm die wirren, weißen Strähnen aus der Stirn und glättete sein Hemd. Dann küsste sie ihn auf die Schläfe. Dankbar fasste er ihre Hand. Dann erkannte er Hamid, grinste schwach und bedeutete ihm, sich neben ihn zu setzen.
    »Bin froh, dass du hier bist, Alter«, flüsterte er heiser.
    »Sprich nicht. Du musst dich schonen«, sagte Hamid.
    »Du hast mir oft die Haut gerettet. Aber diesmal wird es dir wohl nicht gelingen.«
    Arnaut sah, dass seine Mutter bei diesen Worten feuchte Augen bekam. Mit versteinerter Miene stand sie neben dem Bett. Onkel Raol saß etwas abseits und betrachtete seine Hände. In der Jugend hatte er mit seinem Vater gestritten. Aber das war lange her und längst vergessen.
    »Was redest du da?« Hamid grinste Jaufré aufmunternd zu. »Wir beide haben dem Tod doch schon oft ein Schnippchen geschlagen. Ich glaube, er versucht es gar nicht mehr.«
    Der Anflug eines Lächelns huschte über Jaufrés Gesicht. Er fasste nach Hamids Hand und hielt sie lange fest umschlungen, bis ein neuer Hustenanfall ihn schüttelte, diesmal zum Glück weniger schlimm als zuvor. Er schloss einen Augenblick die Augen. Dann winkte er Robert und Arnaut zu sich. Hamid machte ihnen Platz.
    »Robert, küss deinen Großvater«, krächzte Jaufré mit pfeifendem Atem. Der Junge beugte sich vor und küsste die greise Wange. Seine Kinnmuskeln zuckten, so verzweifelt kämpfte er, nicht die Beherrschung zu verlieren.
    »Prachtvolle Enkelsöhne hast du mir geschenkt, Adela«, flüsterte Jaufré. Es war nicht leicht, ihn zu verstehen. »Als wir deine Mutter begruben, warst du erst elf. Ein Rosendorn hatte dich gestochen, und du hast auf ihren Grabstein einen Tropfen Blut gedrückt. Sie sollte in alle Ewigkeit etwas von dir haben.«
    Die Erinnerung war zu viel für Adela. Sie schlug schluchzend die Hände vors Gesicht.
    Jaufré schien es kaum zu bemerken. »Ich habe oft an Noura gedacht.« Sein Atem ging jetzt leichter. »Wo ist
Fraire
Aimar?«, wollte er plötzlich wissen.
    »In Narbona, Großvater«, erwiderte Arnaut.

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