Die Hure Babylon
Staub sich verzogen hatten, klaffte eine riesige Bresche in der Flanke der Burg.
Mit Geheul drangen die Angreifer vor, kletterten nach oben, zogen sich an losen Steinen und Mauerresten empor, drängten in die Bresche, wo sie von todesmutigen Verteidigern empfangen wurden.
Ein fürchterliches Schlachten hob an, Waffenlärm, Wutgebrüll und die Schreie der Getroffenen hallten herüber. Joris Gesicht war tränennass. Er hielt sich die Ohren zu, warf sich auf den Boden, um den Kampf nicht mit ansehen zu müssen. Arnaut hingegen saß wie gelähmt und verfolgte mit starrem Blick die Vernichtung seiner Freunde und Kameraden. Mehr Türken drängten nach. Die Bresche konnte längst nicht mehr gehalten werden, der Kampf hatte sich ins Innere der Burg verlagert, wütete vom Hof zum Rittersaal, und dann von Kammer zu Kammer.
Nach einer endlos scheinenden Weile verebbte der wüste Lärm, es wurde stiller, hier und da schrie noch jemand auf, am Ende hörte man nur noch feindliche Krieger, die Türen eintraten, plünderten, Weinfässer mit der Axt öffneten und grölend über ihren Sieg triumphierten. Als zuletzt noch zwei von Bertrans Männern vom Turm gestürzt wurden, wusste Arnaut, dass dies das Ende war.
Und doch war es ihnen nicht möglich, ihr Versteck zu verlassen. Immer noch hofften sie, irgendeinen Überlebenden zu entdecken, einen, der sich hatte retten können, dem sie helfen konnten. Und so verbrachten sie die Nacht auch weiterhin auf ihrer Anhöhe, ertrugen die Gesänge der Türken, die ihren Sieg feierten.
Am Morgen begann der Feind, sein Lager zu räumen. Und da sahen sie, dass nicht alle gestorben waren. Eine lange Schlange von Gefangenen wurde aus der Burg und in die Sklaverei geführt.
Als die Türken endlich verschwunden waren, wagten sich Arnaut und Severin mit Schaudern in die halbzerstörte Burg. Leichen lagen, wo sie gekämpft hatten, auf Treppen, in Gängen oder Kammerecken. Die Sonne stand schon hoch, Schmeißfliegen hatten bereits den Ort entdeckt, und erster Leichengeruch machte sich bemerkbar.
Jori suchte überall nach seiner Frau. Als er sie endlich fand, blutüberströmt, das Kleid zerrissen, die nackten Beine seltsam verdreht, da musste er sich vor Entsetzen übergeben. Dann brach er neben ihr auf die Knie, schlang seine Arme um ihren toten Leib, als wollte er sie nicht gehen lassen.
Arnaut rannte durch alle Kammern und Gemächer, um nach Überlebenden zu suchen. Doch nirgends eine lebende Seele. Selbst Hunde und Katzen waren von diesem Ort des Grauens geflohen. Manche Leichen waren gefleddert und ihrer Waffen und Rüstungen beraubt. Andere lagen unberührt da, als hätten es die Türken allzu eilig gehabt, den Ort ihres Sieges zu verlassen. Doch dann verstand er. Mit christlichen Sklaven ließ sich mehr verdienen als mit halb verrosteten Kettenhemden.
Von Bertran oder Beatriz fand er keine Spur, wo er auch suchte. Waren sie unter den Gefangenen gewesen? Wenn ja, so gab es noch Hoffnung. Dann hatten die Sarazenen ihren Auftrag, sie zu töten, aus Geldgier nicht erfüllt. Er würde alles tun, um das Lösegeld aufzubringen.
Und dann stolperte er über Severins Stiefel. Er lag auf dem Rücken in Constansas Schoß. Das Blut aus einer tiefen Wunde in der Brust hatte sein
sobrecot
rot durchtränkt, als hätte man es aus einem Farbbottich gezogen. Die Augen waren geschlossen, der Mund geöffnet, als wollte er noch dem letzten Atemzug nachhängen.
Constansa saß mit dem Rücken halb an die Wand gelehnt, Kopf und Oberkörper wie im Kuss über ihren Geliebten gebeugt, in der Rechten einen blutigen Dolch. Als Arnaut ihr ins Haar griff und den Kopf anhob, sah er, dass sie sich selbst die Halsschlagader durchtrennt hatte. Ihr Blut war mit Severins vermischt, ihr Antlitz wachsweiß, doch die Augen klar und ungebrochen. Vielleicht war es nur Einbildung, aber er glaubte, ein Lächeln auf ihren Zügen zu erkennen.
Prinz gegen Emir
N ach langem Zögern trauten sich einige der Männer aus dem Dorf zur Burg herauf, um zu sehen, wie die Dinge lagen. Arnaut bat sie, ihnen bei der Bestattung der Toten zu helfen. Sie gingen, um Schaufeln und Handkarren zu holen, und als sie wiederkamen, hatten sie Verstärkung mitgebracht wie auch Elias, der einen Korb mit Wein, Brot und Oliven trug.
Arnaut und Jori, die seit Tagen kaum etwas gegessen hatten, schlangen das Angebotene dankbar herunter. Anschließend machten sie sich zusammen mit den Bauern an die Arbeit. Es waren mehr als fünfzig Leichen, die allermeisten
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