Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
Vom Netzwerk:
Männer, die sie aus der Burg schleppten und auf einer freien Fläche bestatteten.
    Drei Tage lang schufteten sie in brütender Hitze, umgeben von Leichengeruch und Fliegen. Eine Massengrube kam für Arnaut nicht in Frage. Er war entschlossen, dass jeder ein eigenes, ehrenvolles Grab haben sollte. Der Boden war steinig und hart, aber die Knochenarbeit zwang sie, an anderes als den Tod zu denken, und half, nicht den Verstand zu verlieren. Nach den letzten Gebeten für die Verstorbenen schleppten sie sich ins Dorf, das sich wieder bevölkert hatte, und schliefen wie Halbtote in einer der Hütten.
    Duran und Enric aus ihrer alten Truppe waren ebenfalls unter den Toten gewesen, ansonsten hatten die Sarazenen fast einhundert Menschen verschleppt, darunter Frauen und Kinder, die üblicherweise gutes Geld auf den Sklavenmärkten brachten. Arnauts Silber, sein Anteil an der Beute der letzten Monate und sein kostbarer Bogen, alles verschwunden. Jori ging es nicht besser. Für Essen und eine Herberge würde das, was sie dabeihatten, noch eine Weile reichen, ansonsten waren sie wieder einmal mittellos.
    Aber was war das im Vergleich zum Verlust der vertrauten Menschen, mit denen sie Gefahren, Leid und Freude geteilt hatten, im Fall Severins sogar das ganze Leben hindurch? Um ihn und Constansa trauerte Arnaut besonders. Und wo mochten Bertran und seine Schwester jetzt sein? Er erinnerte sich an den Abschied von Beatriz. Schüchtern war sie gewesen und hatte doch ihre Gefühle zeigen können. Nun war sie Gott weiß wohin verschleppt.
    Arnaut und Jori verbrachten Tage bei den Bauern, stumm und teilnahmslos, unfähig, irgendeinen Entschluss zu fassen, spürten nur diesen nagenden Schmerz im Herzen und jenes bohrende Schuldgefühl der Überlebenden, die sich selbst anklagen, als hätten sie das schreckliche, unvermeidliche Schicksal doch irgendwie verhindern können. Und als der Schmerz langsam verebbte, ließ er eine unendliche Leere zurück, die fast noch schlimmer zu ertragen war.
    »
Senher
Arnaut«, sprach Elias ihn nach Tagen etwas verlegen an. »Besser gehen. Krieger aus Tripolis werden kommen.«
    Der Mann hatte recht. Es war Zeit, diesen verfluchten Ort zu verlassen. Durch ihre Gegenwart würden sie die Leute im Dorf nur unnötig gefährden. Die hatten schon genug für sie getan. Es war besser, nach Antiochia zu reiten, wo er den Prinzen bitten würde, Bertran und Beatriz auszulösen, wenn man sie irgendwo finden könnte.
    Als er mit Jori davon sprach, nickte der nur abwesend. Seit sie Joana tot aufgefunden hatten, schien er die Sprache verloren zu haben. Die Tage hatte er meist still unter einem Baum gesessen, rotgeränderte Augen in unbestimmte Ferne gerichtet. Entscheidungen überließ er Arnaut. Er tat, wie ihm geheißen, ansonsten war ihm alles gleichgültig.
    Sie sattelten ihre Pferde und folgten langsam dem langen Weg zurück nach Norden. Vor einer ganzen Ewigkeit, so kam es ihnen vor, waren sie in entgegengesetzter Richtung gewandert, als Arnauts Haufen noch vereint gewesen war. Daran dachten sie oft, besonders an Orten, die im Gedächtnis geblieben waren. Natürlich hatte es manchmal auch Streit in der Truppe gegeben, nicht jeder war einem immer genehm gewesen, und doch hatten sie zusammengehalten, waren eine Gemeinschaft gewesen. Jetzt war die Stille um sie herum bedrückend.
    In den Nächten lagen Arnaut und Jori am Lagerfeuer, lauschten dem Wind in den Zweigen und starrten stumm hinauf zu den Sternen. Dabei erinnerten sie sich an Gespräche, Scherze und Gelächter, glaubten, noch die Stimmen ihrer Gefährten zu hören. Wenn Jori die Augen schloss, stellte er sich vor, Joana läge in seinen Armen, nur um später in der Nacht von Alpträumen geplagt aus dem Schlaf zu fahren. Tagsüber saß er bleich und mit schwarzen Ringen unter den Augen im Sattel und redete nur, wenn es nicht zu vermeiden war.
    Mitte Juni erreichten sie Antiochia und fanden die Stadt in großem Aufruhr vor. Nur ad-Din, der Emir von Aleppo, war mit einem großen Heer auf dem Vormarsch und bedrohte das Fürstentum. Alle waffenfähigen Männer waren aufgerufen, sich unter dem Banner des Prinzen zu sammeln.
    Arnaut und Jori baten im Palast um eine Audienz. Sie wurden zu einem Saal gewiesen, wo sich Edelleute mustern ließen. An einem Ende thronte Prinz Raimon, zu seiner Rechten die Heerführer des Fürstentums, links von ihm sein
secretarius,
der das Musterbuch führte, und zwei weitere Schreiber, die Einsatzbefehle und Anweisungen des Prinzen

Weitere Kostenlose Bücher