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Die Hure Babylon

Die Hure Babylon

Titel: Die Hure Babylon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulf Schiewe
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setzten sich die Verteidiger zur Wehr, stießen mit langen Stangen die Leitern von den Mauern. Die Schreie der Kämpfenden schallten bis zu ihnen herüber. Mehrmals glaubte Arnaut, Bertran selbst auf der Brüstung zu erkennen.
    Die Verluste auf türkischer Seite waren bei diesen Angriffen beträchtlich gewesen. Deshalb versuchten sie es als Nächstes mit dem Rammbock. Dazu musste zuerst der Graben vor dem Burgtor zugeschüttet werden. Türkische Bogenschützen bemühten sich, die Zinnen von Verteidigern freizuhalten. Sobald dies gelang, rannten Männer vor und schleppten Steine und Erde heran. Ein mühsames Geschäft, bei dem viele ihr Leben ließen. Und selbst nach zwei Tagen hatten sie nur geringe Fortschritte gemacht. Als sie auch diese Arbeit aufgaben, begann Arnaut, Hoffnung zu schöpfen. Eine allzu lange Belagerung in Feindesland würden die Türken sich vielleicht nicht zumuten wollen.
    Doch als er sie am Hang unterhalb der Ringmauer an mehreren Stellen graben sah, krampfte sich sein Herz zusammen. Eine zweite Mannschaft war im Wald, wo sie Bäume fällten.
    »Was haben sie vor?«, fragte Jori aufs Neue besorgt.
    »Sie treiben Stollen in den Hang bis weit unter die Mauern. Die werden mit Holzpfeilern abgestützt. Am Ende legen sie Feuer unter der Erde, und wenn die Stützen verbrannt sind, stürzt die Mauer ein. Bete zu Gott, dass auch das nicht gelingt.«
    Jori bekreuzigte sich. Gebannt starrte er auf die Arbeiten der Seldschuken, während seine Lippen ununterbrochen Gebete murmelten.
    Auf der Burg selbst war man zuerst voller Hoffnung gewesen, nachdem die ersten Bemühungen der Türken erfolglos verlaufen waren. Bisher hatte es auch wenige Verwundete auf ihrer Seite gegeben. Nahrung und Wasser gab es genug auf der Burg. Sie würden eine Weile aushalten können. Doch als ihnen klarwurde, was die Belagerer trieben, griff die Furcht um sich. Man konnte nur hoffen, dass sie bei ihren Grabungen auf Fels stoßen würden. Sollten die Mauern aber brechen, dann würde es das Ende bedeuten.
    Bertran umarmte seine Schwester. »Es tut mir leid, dass es so weit gekommen ist«, flüsterte er in ihr Haar. »Es war alles umsonst.«
    Sie schaute zu ihm auf. »Ich bereue nichts. Tu du es auch nicht.«
    Joana kletterte verzweifelt auf den Bergfried, obwohl es beschwerlich für sie war, und flehte die Männer an: »Haltet nach Jori und
Senher
Arnaut Ausschau. Sie sind nach Tripolis geritten. Gewiss bringen sie uns Hilfe. Haltet Ausschau.«
    Jori erkannte sie aus der Ferne hoch oben auf dem Turm und wollte aufspringen, ihr zuwinken.
    Doch Arnaut riss ihn zurück. »Du kannst niemandem helfen, verdammt!«
    Constansa verspürte keine Angst. »Wenn wir hier sterben müssen, dann soll es so sein«, sagte sie zu Severin. »Wir waren glücklich, du und ich. Mehr kann man sich nicht wünschen. Ich bitte dich nur um eines. Lass nicht zu, dass sie mir Gewalt antun. Vorher töte mich. Versprich es mir.«
    ♦
    Das Graben der Stollen hielt tagelang an. Um sich vor den Pfeilen der Burgbesatzung zu schützen, zimmerten die Angreifer einen überdachten Zugang. Auch der Versuch, diesen mit Brandpfeilen zu zerstören, war nur mäßig erfolgreich. Immer mehr Erde und Geröll wurde zutage gefördert, immer mehr Holzstützen verschwanden in der Tiefe der Löcher, die die Türken wie Maulwürfe in den Hang bohrten. Sie schienen ihr Geschäft zu verstehen.
    Als sie anfingen, Reisig und trockene Äste hineinzuschleppen, wusste Arnaut, dass sich das Schicksal der Belagerten bald entscheiden würde. Stunden später schon quoll erster Rauch hervor, der schnell immer dicker wurde und, vom Wind erfasst, sich bald bis weit ins Tal verteilte. Es rauschte und knackte. Ein Inferno wütete unter der Erde. Und als das Krachen und Splittern der ersten Stützen zu hören war, sammelte sich der Feind zum Angriff.
    Oben auf den Zinnen standen die Verteidiger und schauten regungslos zu, bis jemand, es schien Bertran zu sein, sie von dort vertrieb.
    Auf einmal schien die Erde zu beben. Ein Bersten und Rumpeln ließ sich vernehmen, als der erste Stollen einstürzte. Rauch und Feuer schossen aus dem Loch, als hätte sich ein Höllenschlund aufgetan. Bald darauf sackten ein zweiter und ein dritter Stollen in sich zusammen. Risse entstanden in der Ringmauer, die ersten Steine fielen herab. Schließlich löste sich ein riesiges Mauerstück und stürzte in die Tiefe. Staub wirbelte hoch. Die Mauer zitterte, es krachte und donnerte wie in einem Gewitter, und als Rauch und

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