Die Hure Babylon
eine Gestalt am Boden.
Da hörte er Severins erschrockene Stimme.
»
Mon Dieu,
es ist Ermengarda!«
♦
Die Leute waren entsetzt. Die Fürstin war gestürzt, und ihr
champio
hatte den Zweikampf verloren. Bedeutete das etwa Unglück für Narbona? Viele bekreuzigten sich oder machten die
corna,
das Zeichen gegen den bösen Blick und anderes Unheil.
Arnaut, gefolgt von Severin, drängte sich durch die Umstehenden, die ihn hilflos anstarrten. Er riss sich Helm und Kettenhaube herunter und fiel an Ermengardas Seite auf die Knie. Man hatte ihr den Kopf auf ein Sänftenkissen gebettet. Alles Blut war aus dem schönen Gesicht gewichen. Die Unterlippe war aufgeplatzt, unter dem Auge begann eine Prellung die Haut zu schwellen.
Aber das Schlimmste war, sie regte sich nicht.
Entsetzt beugte er sich über sie und packte ihre Schultern.
»Ermengarda«, rief er in Verzweiflung und schüttelte sie.
Es wurde still um sie herum. Die Menschen starrten atemlos und mit bangen Gesichtern.
Dann bewegten sich ihre Lippen. »Du lebst«, hauchte sie, als sie ihn erkannte. »Ich hatte solche Angst.«
»Was ist geschehen,
mon Dieu?
«
»Ich weiß es nicht.«
Plötzlich kniff sie die Augen zusammen und hielt sich mit verzerrtem Gesicht den Bauch. Tränen quollen ihr unter den Lidern hervor.
»Was ist,
mon cor?
Hast du Schmerzen?«
Sie biss sich auf die Lippen und nickte.
»Du machst mir Angst. Was fehlt dir?«
»Geht gleich weg«, flüsterte sie. »Halt mich nur fest.«
Vorsichtig schob er einen Arm unter ihre Schultern und hob sie ein wenig an. Sie atmete tief durch, ließ den Kopf zurücksinken und sah ihn an.
»Küss mich, Arnaut.«
»Was sollen die Leute denken?«
»Das ist mir gleich. Ich bin nur glücklich, dass du lebst. Und dass wir zusammen sind.«
Er küsste sie sanft auf die Lippen, wischte ihr die Tränen aus dem Gesicht und wiegte sie in seinen Armen.
»Bring mich hier weg, Arnaut. Ich bitte dich.«
Er half den Trägern und Leibwachen, sie mit aller Vorsicht in die Sänfte zu heben. Das schien ihr dennoch Schmerzen zu bereiten, denn sie hielt die Hand auf den Bauch gepresst und stöhnte.
»Seid vorsichtig, verflucht!«, brüllte Severin die Männer an und schob ihr das Kissen unter die Schultern. »Und jetzt tragt sie sanft wie auf einer Wolke, ihr Bastarde.«
»Fluch nicht, Severin.«
»Tut mir leid,
Domina.
«
Arnaut fasste ihre Hand. »Nur einen Augenblick. Ich muss noch etwas erledigen.«
Er bedeutete Jori, ihm zu folgen. Trotz seiner Sorge um Ermengarda konnte er nicht gehen, ohne die Dinge mit Josselin geregelt zu haben. Der stand bei seinem Pferd in Begleitung der Templer. Die Leute warfen ihm böse Blicke zu. Ein altes Weib, das vorüberging, spuckte vor ihm auf den Boden. Doch das schien ihn nur zu belustigen.
»Meine Anerkennung«, sagte Arnaut in erzwungener Höflichkeit. »Ihr wart der Bessere.«
Josselin nickte nur. Er sah abgekämpft aus, fuhr sich mit der Hand durch die schweißnassen Haare. »Tut mir leid für Eure
domina.
Sie hat sich doch hoffentlich nichts getan?«
Kaum zu glauben, dass Josselin ihn erst vor wenigen Augenblicken fast umgebracht hätte. Jetzt klang es, als unterhielten sie sich höflich übers Wetter. Nun, zumindest brüstete der Kerl sich nicht mit seinem Sieg.
»Sie ist unglücklich gefallen«, erwiderte Arnaut steif.
»Muss wohl sehr besorgt um Euch gewesen sein.«
Ein anzügliches Grinsen begleitete diese Worte. Étienne neben ihm lachte gehässig auf. Hugues de Bouillon dagegen sandte seinem Ordensbruder einen strafenden Blick, enthielt sich aber jeder Bemerkung.
Nun hob Josselin Arnauts Schwert in die Höhe. »Das habt Ihr eben vergessen. Aber es gehört ja wohl jetzt mir. So waren doch die Regeln, nicht wahr?« Er besah sich aufmerksam die Waffe. »Ein wirklich schönes Stück. Damaszener Arbeit, wie ich sehe.«
Arnaut schluckte. Dass dieser Kerl mit Großvaters Schwert und Rüstung davonziehen würde, der Gedanke versetzte ihm einen Stich ins Herz. Doch es war nicht zu ändern. Der Verlierer hatte seine Waffen abzuliefern.
»Ich muss jetzt die Fürstin begleiten«, sagte er. »Mein
escudier
hier«, er legte Jori den Arm auf die Schulter, »wird Euch gleich alles Weitere bringen.«
»Vergesst den Gaul nicht«, sagte Josselin. »Ein hübsches Tier. Kommt mit gut zupass.« Er lachte vergnügt.
Fast hatte Arnaut es vergessen. Von seinem geliebten Hengst würde er sich ebenfalls trennen müssen. Mit dem Tier war er praktisch aufgewachsen. Die ganze
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