Die Hure Babylon
gekrümmt, immer wieder angstvoll an ihn geklammert hatte. Wie ein Schuft war er sich vorgekommen. Um seinetwillen hatte sie all dies erleiden müssen.
Und war diese Liebe nicht Sünde?
Ganz gleich, wie man es drehte, nach Sicht der Kirche waren sie nichts als gemeine
fornicatores,
die sich der Fleischeslust hingaben. Man würde sagen, Gottes Gericht sei wie ein strafender Blitz auf sie niedergefahren. Einen Augenblick lang schmerzte ihn der Gedanke an das ungeborene, unschuldige Kind. Warum musste Gott es zerstören? Doch je mehr er an das Kind dachte, umso verhasster wurde es ihm, diese grausame Geißel, die beinahe Ermengardas Tod gewesen wäre. Vielleicht immer noch.
Und die Heimlichtuerei hatte jetzt natürlich ein Ende, alle würden es wissen, denn eine Schwangerschaft war schließlich Beweis. Straflos würde man sie eine Hure und Ehebrecherin nennen dürfen. Dabei hatte sie es ja geradezu darauf angelegt. Immer hatte er an ihrer Seite sein sollen. Erst heute Morgen wollte sie, dass er sie vor aller Augen küsste. Benahm sich so eine ehrbare Frau, Fürstin oder nicht?
Auch ihn traf die volle Schuld. Er, der Gottes Gebot missachtet und das Bett einer verheirateten Frau geteilt hatte. Viele Männer machten sich nichts aus so etwas. Ja, sie prahlten mit ihren Abenteuern. Aber Arnaut hatte schon immer leise Gewissensbisse gehabt. Dass sie sich liebten, zählte nicht vor Gott. Jetzt hatte Er ihnen nicht nur zum zweiten Mal das Kind der Sünde genommen, sondern gewiss auch die letzte Warnung erteilt.
Und doch, er konnte sich nicht helfen, vor den Augen sah er wieder ihr reines, schönes Gesicht, ihren liebevollen Blick, ihre Lippen, die ihn sanft küssten. Wie konnte das Sünde sein?
Nach einer Weile rastlosen Wanderns und wirrer Gedanken erfasste ihn schließlich eine überwältigende Müdigkeit. Er ließ sich auf sein Lager fallen, und seine Hand fand die kleine Madonnenfigur neben dem Bett. Er betete lange um Vergebung, bis ein tiefer Schlaf ihn von seinen Seelenqualen befreite.
Joris Geheimnis
T rotz aller Bemühungen wurde Ermengarda das Fieber nicht los. Einen Augenblick lang zitterte sie vor Kälte, im nächsten stieß sie alle Decken von sich, weil eine innere Glut sie schier verbrennen wollte. Die meiste Zeit dämmerte sie in einem endlos grauen Traum voller Schwermut und Bedauern dahin. Sie sprach nicht, fragte nur gelegentlich nach Arnaut, blieb ansonsten teilnahmslos.
Jamila tat, was sie konnte, kühlte sie mit feuchten Umschlägen und mühte sich rastlos, ihr das Leiden erträglicher zu machen. Morgens und abends kam die alte Hebamme, um nach ihr zu sehen, betastete den fiebernden Leib, flößte ihr bitteres Gebräu ein, in der Hoffnung, das verzehrende Feuer endlich zu besiegen.
Ermengarda magerte ab, denn mehr als Wasser oder Brühe wollte sie nicht zu sich nehmen. Immer neue Blutungen schwächten sie, bis endlich ihr gequälter Leib auch das Letzte von dem ausschied, was nicht mehr zu ihr gehörte und sie krank machte. Von diesem Tag an begann es, ihr langsam besserzugehen.
In der Stadt machte man sich große Sorgen um die Fürstin. Der Palast war ständig von Menschen belagert, die sich nach ihrem Befinden erkundigten. Adelige und Abgeordnete der Bürgerschaft sprachen vor. Aber die Kräuterfrau hatte allen außer Jamila den Zutritt zu Ermengardas Kammer verboten. Nichts und niemand sollte ihre Genesung stören.
Tagelang war auch Arnaut nur auf
Domna
Anhes’ dürftige Meldungen angewiesen. Als er sie endlich besuchen durfte, erschrak er bei ihrem Anblick. Bleich und fast körperlos ruhte sie auf den Kissen. Jamila hatte ihr die langen Haare ausgekämmt, sie ein wenig mit maurischer Schminke hergerichtet, doch weder die tiefen Schatten unter den Augen noch ihr ausgemergelter Leib ließen sich verbergen. Sie wirkte so zerbrechlich, dass er es kaum wagte, sie in die Arme zu schließen.
»Gott sei gelobt, es geht dir besser. Wir hatten solche Angst um dich.«
»Wir?«, fragte sie und sah ihn mit glanzlosen Augen an. »Und du?«
»Ach,
mon cor.
Natürlich ich.«
Lange saßen sie stumm da, hielten sich erst nur an den Händen. Ihren Blicken wich er aus. Es muss die Trauer um das Kind sein, dachte sie, als sie ihn so abwesend sah, berührte sanft sein Gesicht und schmiegte sich in seine Arme. Seine Nähe war ihr ein Trost.
Doch für Arnaut stand nun etwas zwischen ihnen. Er musste sich beherrschen, nicht von ihr abzurücken. Er war zerrissen zwischen seiner Liebe und dem Bedürfnis, sie im
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